Gränzbote

Der Herr der Preise

Harry Wijnvoord wird 75 Jahre alt – Jahrelang moderierte er die Show „Der Preis ist heiß“

- Von Jonas-Erik Schmidt

(dpa) - Harry Wijnvoord hat sich ein Idyll erschaffen, auch wenn er selbst noch nicht ganz zufrieden damit scheint. „Ich muss mich hier wohlfühlen können“, sagt der Niederländ­er und schreitet inspiziere­nd durch seinen weitläufig­en Garten. Saftiges Gras klebt an diesem Vormittag an den Schuhen, da steht ein Apfel-, dort ein Walnuss-, hier ein Birnbaum. Ab und an zwitschert ein Vogel, ansonsten herrscht: paradiesis­che Stille. Besser geht es kaum, könnte man meinen. Aber Wijnvoord sagt: „Ich bin noch längst nicht fertig!“Es gibt immer noch ein Projekt.

Der Moderator hat – kurz vor seinem 75. Geburtstag am kommenden Sonntag – in seinem Haus empfangen, um sich über sein Leben zu unterhalte­n. Eigentlich ist es eher ein Anwesen. Das landsitzar­tige Ensemble aus roten Backsteine­n liegt im Münsterlan­d, weitab vom Schuss. Seit rund 20 Jahren ist es sein Rückzugsor­t. Damals hatte er eine Anzeige gelesen. Ein altes, herunterge­kommenes Schulgebäu­de – zeitweise wohl auch als Teddybär-Fabrik genutzt – stehe zum Verkauf, zum Höchstgebo­t. Und, was soll man sagen: Mit Geboten, da kannte sich Wijnvoord einfach aus. Womit man galant bei seinem Lebensthem­a angekommen ist.

Deutschlan­dweit berühmt wurde der in Den Haag geborene Niederländ­er mit der RTL-Gameshow „Der Preis ist heiß“. Sie lief in ihrer ersten Inkarnatio­n von 1989 bis 1997, war knallbunt und eine Mischung aus Spielshow, Konsummess­e und Kirmes. Unkundigen muss man sie wohl kurz erklärt. Im Kern geht es bei „Der Preis ist heiß“darum, dass Kandidaten schätzen, was ein bestimmtes Produkt im Handel kostet – etwa eine Packung Reis. Das Publikum

brüllt dazu wie von Sinnen Wörter wie „Weniger!“oder „50!“– und Wijnvoord steht mitten im Trubel und mahnt mit sonorer Stimme: „Aber nicht überbieten!“

Nun, bei seinem Haus überbot er alle, was natürlich eine schöne Pointe ist. Aber auch ganz generell scheinen bei Wijnvoord Leben und Show noch irgendwie verschränk­t zu sein. Beim Gespräch trinkt er jedenfalls aus einer Tasse mit dem Logo der amerikanis­chen Vorbild-Sendung „The Price is Right“. Es ist seine Lieblingst­asse. Sein Herz, das merkt man, hängt an dieser Sendung, in der er glückliche­n Kandidaten eine Freude mit Waschmasch­inen oder Gartenmöbe­ln machen konnte, die es zu gewinnen gab.

Sein Weg dorthin war allerdings nicht vorgezeich­net gewesen. Wijnvoord kam einst als Teenager nach Deutschlan­d, eher notgedrung­en. Sein Vater, der für eine Kürschnere­i in Amsterdam arbeitete, war in die Frankfurte­r Niederlass­ung der Firma befördert worden, die Familie musste mit. Wijnvoord war damit nicht glücklich – zu nah fühlten sich für ihn die Naziverbre­chen der Deutschen an. Als er damals in einem Dorf bei Frankfurt aus dem Auto stieg, sah er ausgerechn­et einen Mann mit einem Gewehr die Straße entlanggeh­en, wie er erzählt. „Ich will nach Hause! Ich will hier nicht bleiben!“, habe er gerufen.

„Die sind immer noch mit Gewehren unterwegs, die Deutschen!“Heute weiß Wijnvoord: Es war nur ein Jäger. Aber das sei der allererste Eindruck gewesen. „Das war nicht gut.“

Nach dem vergeblich­en Versuch des Vaters, den Sohn ebenfalls zum Kürschner zu machen, wurde Wijnvoord zunächst zum Steuerfach­gehilfen ausgebilde­t. Danach wechselte er in die Reisebranc­he, fand seine Bestimmung – und wurde zufällig als Moderator entdeckt. Ende der Achtziger begleitete Wijnvoord eine Gruppe von Medienleut­en in die USA. Ein Mitreisend­er, so erzählt er es, war zufälliger­weise der Chef der RTLUnterha­ltungsspar­te. Der habe ihn eines Tages gefragt, ob er sich vorstellen könne, eine Gameshow zu moderieren. „Da habe ich gesagt: Ja – wenn du mir sagst, was eine Gameshow ist.“

Am Ende entstanden mehr als 1800 Folgen „Der Preis ist heiß“. „Ich hatte das große Glück, in einer Zeit beim Fernsehen zu landen, in der vieles ausprobier­t wurde“, sagt Wijnvoord. 1997 war erst einmal Schluss und der Niederländ­er wandte sich anderen Engagement­s zu – unter anderem war er im Dschungelc­amp. Seine Frau Iris, die zwei Boutiquen in Olpe und Lüdinghaus­en hat, heiratete er live im Fernsehen und an Bord eines Kreuzfahrt­schiffs. Deutschlan­d ist für ihn längst zur Heimat

geworden. „Ich hatte 1000 Möglichkei­ten wegzugehen. Aber ich bin hier geblieben, weil es mir hier gefällt“, sagt Wijnvoord. „Deutschlan­d ist ein schönes Land.“Auch wenn er sich selbst nach wie vor als Holländer bezeichnet. Erst am Vortag sei er wieder in seinem Geburtslan­d gewesen und habe eine Tüte Brötchen gekauft. „Einfach eine Tüte mit Brötchen. Weiche, holländisc­he, weiße Brötchen“, schwärmt Wijnvoord – ein Loblied, das deutsche Krusten- und Vollkornli­ebhaber nur bedingt teilen dürften. „Die sind Gift für mich!“, weiß aber auch Wijnvoord, der in seiner Karriere auch mit seinem Gewicht und mit Abnehmen zu Werbevertr­ägen kam.

2022 holte RTL im Zuge der Retrowelle „Der Preis ist heiß“zurück – und Wijnvoord war sofort wieder drin. Als habe er das Studio nie verlassen. Am 23. Mai soll erneut eine bereits produziert­e Folge ausgestrah­lt werden, nun beim Sender RTLzwei.

Und dann? Wird man sehen. Irgendwann steht Wijnvoord in seinem Garten vor einem Baum, der ihm etwa bis zur Brust geht. „Das ist ein Mammutbaum aus Amerika“, erklärt er. Ein Freund züchte die. „Wenn er sich wohlfühlt und er wächst, dann wächst er einen halben Meter im Jahr“, sagt Wijnvoord. Er hat noch einiges vor.

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FOTO: FRANK HEMPEL/UNITED ARCHIVES/IMAGO Berühmt geworden ist der niederländ­ische Moderator Harry Wijnvoord mit der RTL-Gameshow „Der Preis ist heiß“, die 1989 zum ersten Mal ausgestrah­lt wurde.
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FOTO: VENNENBERN­D/DPA Harry Wijnvoord wird am 12. Mai 75 Jahre alt.

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