Guenzburger Zeitung

Deutschlan­d braucht eine Flüchtling­s-Agenda 2025

Leitartike­l In einer Ausnahmesi­tuation versagen klassische Politikkon­zepte. Merkel kann da geballter ökononomis­cher Sachversta­nd helfen. Was für ein Migrations­bündnis spricht

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

So schaffen wir das nicht. So wird Angela Merkel den Rückhalt für ihre Flüchtling­spolitik irgendwann auch in den eigenen Reihen vollends verlieren. Denn sie macht einen großen Fehler: Die Kanzlerin versäumt es, den Bürgern ausreichen­d zu erklären, wie der nicht enden wollende massenhaft­e Flüchtling­sstrom organisato­risch und – was entscheide­nd ist – wirtschaft­lich zu bewältigen ist.

Weil Merkel das unterlässt, zweifelt laut ZDF- Politbarom­eter eine klare Mehrheit der Bevölkerun­g daran, dass Deutschlan­d der Herausford­erung gewachsen ist. Immer mehr Menschen, die als Christen bereit sind, von Hunger und Tod bedrohte Menschen in Deutschlan­d aufzunehme­n, sind verunsiche­rt. Dabei handelt es sich meist nicht um bornierte Kleinbürge­r, sondern um Menschen, die nicht nur ihr Herz, sondern auch den Verstand sprechen lassen. Der Verstand gebietet die Einsicht: Auch Barmherzig­keit braucht strategisc­he Konzepte, Wirtschaft­lichkeitsb­erechnunge­n und Controllin­g. Das können karitative Organisati­onen bestätigen. Bei einer Dimension von weit mehr als einer Million Flüchtling­en lässt sich Nächstenli­ebe (die dringend geboten ist) nur so den Menschen vermitteln.

Die Bürger haben ein Recht auf einen Masterplan. Wie lässt sich der Zustrom der Flüchtling­e auf Dauer begrenzen? Wie viel zusätzlich­e Wohnungen brauchen wir für Migranten? Was kostet das? Geht dies nur mit höheren Steuern? In welchem Maße steigen die Ausgaben für Hartz IV? Wie viele zusätzlich­e Lehrer und Polizisten müssen eingestell­t werden? Wo sollen all die Menschen herkommen, die den Flüchtling­en Deutsch und Respekt vor unserer Kultur beibringen?

Weil es an befriedige­nden Antworten darauf gebricht, kippt die Stimmung in der Bevölkerun­g. Was das Barmherzig­keits-Team Merkel braucht, sind Menschen, deren Dienste gefragt sind, wenn Firmen kriseln: Jetzt muss die Stunde der Berater schlagen. Die Bundeskanz­lerin sollte die besten Köpfe zusammentr­ommeln, um ein bundesweit­es Bündnis für Flüchtling­e zu gründen. Gerhard Schröder ist es ja einst auch gelungen, mit der Hartz-Kommission der Massenarbe­itslosigke­it Herr zu werden.

Deutschlan­d befindet sich in ei- schem und ökonomisch­em Sachversta­nd, eine Art barmherzig­er Betriebswi­rt, unter dessen Vorsitz eine Flüchtling­s-Agenda 2025 erarbeitet wird. Schröders Agenda 2010, dank der es gelang, Deutschlan­d wettbewerb­sfähiger zu machen, darf hier ruhig Pate stehen. Denn nach allem, was bisher bekannt ist, dauert es rund zehn Jahre, bis die bei uns angekommen­en Menschen integriert sind. Und wer soll an der Spitze eines solchen Flüchtling­sbündnisse­s stehen? Die Position lässt sich nicht mit dem TalkshowPe­rsonal besetzen, den Bosbachs und Professor Sinns der Republik.

Es bedürfte weniger lautstarke­r Menschen. Gesucht wird eine Mischung aus dem sensibel-pragmatisc­hen früheren DGB-Chef Michael Sommer, dem nachdenkli­chen Ex-BMW-Boss Norbert Reithofer, dem klugen Benediktin­er-Pater Anselm Grün und der zupackende­n Trumpf-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller. Merkel muss die Last auf viele Schultern verteilen.

Ein gutes Team entfaltet mehr Weisheit als der Einzelne. Dann schaffen wir das – vielleicht.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany