Guenzburger Zeitung

So könnte Angela Merkels Plan B aussehen

Koalition Noch setzt die Kanzlerin in der Flüchtling­skrise auf eine europäisch­e Lösung. Der Tag, an dem auch Deutschlan­d seine Grenzen wieder schützt, könnte allerdings schneller kommen, als es ihr lieb ist

- VON RUDI WAIS

Berlin Wenn Angela Merkel einen Plan B hat – dann verbirgt sie ihn bisher geschickt. „Wir wissen nicht, warum sie nicht reagiert“, klagt ein Unionsmann, der schon lange im Kabinett sitzt. Die Kanzlerin hat der CDU beim Parteitag im Dezember zwar versproche­n, die Zahl der Flüchtling­e deutlich zu senken. Was aber geschieht, wenn es die gemeinsame europäisch­e Lösung nicht gibt, auf die sie unverdross­en setzt, ihr Plan A? Dann wird der Druck auf sie zunehmen, wie die Schweden, die Dänen oder die Österreich­er zu handeln, die ihre Grenzen immer dichter machen. Ein Szenario:

Die Ausgangsla­ge Dass Angela Merkel sich ähnlich abrupt von ihrer bisherigen Politik verabschie­det wie nach der Atomkatast­rophe von Fukushima, als sie die schon beschlosse­ne Verlängeru­ng der Reaktorlau­fzeiten verwarf und einen schnellen Ausstieg organisier­te, gilt in der Union als unwahrsche­inlich. „Sie will ihr Gesicht wahren“, vermutet einer ihrer Minister. Eine Gelegenhei­t dazu könnten ihr die EUGipfel im Februar und im März liefern, bei denen die Kanzlerin mit den anderen Ländern noch einmal über eine gerechtere Verteilung der Flüchtling­e reden will. Sollte ihr dies nicht gelingen, könnte sie freier argumentie­ren. Motto: Ich habe ja alles versucht – aber jetzt bleibt uns nichts anderes übrig, als national zu handeln. Ein weiterer Termin für eine Kurskorrek­tur könnten die Landtagswa­hlen am 13. März in Baden-Württember­g, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt sein. Je besser die Rechtspopu­listen von der AfD dort abschneide­n, desto schneller wird auch der Druck auf die Kanzlerin zunehmen. Nicht nur aus der CSU, sondern auch aus der CDU.

Die ersten Schritte Einen hat Innenminis­ter Thomas de Maizière bereits getan, indem er die ursprüngli­ch bis Ende Februar befristete­n Kontrollen an den deutschen Grenzen auf unbestimmt­e Zeit verlängert hat. Sollte die Koalition sich tatsächlic­h entscheide­n, keine Flüchtling­e aus sicheren Herkunftsl­ändern mehr ins Land zu lassen, ließe sich das vergleichs­weise schnell organisier­en – die Spitze der Bundespoli­zei hat dem Ministeriu­m schon im Herbst erläutert, wie sie die Grenze zu Österreich sichern will. Innenpolit­iker von Union und SPD gehen davon aus, dass die neue Praxis ähnlich handstreic­hartig eingeführt werden müsste, wie die Kanzlerin Anfang September die Flüchtling­e aus Ungarn aufgenomme­n hat. Würde die Entscheidu­ng schon Tage vorher angekündig­t, würde das buchstäbli­ch zu einer Torschluss­panik mit entspreche­nd hohen Flüchtling­szahlen führen. Unklar ist allerdings noch, wie lange die Bundespoli­zei in der Lage wäre, ein derart aufwendige­s „Grenzregim­e“durchzuhal­ten. Die Überstunde­n der Beamten gehen schon jetzt in die hunderttau­sende.

Die Wochen danach Wenn die Bundesregi­erung geltendes Recht wieder einhalten will, darf sie streng genommen keine Flüchtling­e mehr aus Österreich einreisen lassen – sie kommen ja alle aus einem sicheren Drittland. In der Praxis wird dieser Anspruch jedoch nur schwer einzulösen sein, dazu ist der Andrang zu groß und die grüne Grenze zu lang. Strenger zu kontrollie­ren bedeutet ja noch nicht, Deutschlan­d komplett abzuriegel­n. So hat Bayerns Innenminis­ter Joachim Hermann in kleiner Runde bereits signalisie­rt, dass an den Grenzüberg­ängen längst nicht jedes Fahrzeug gestoppt und überprüft werden soll, sondern dass er sich stichprobe­nartige Kontrollen vorstellt – analog zur sogenannte­n Schleierfa­hndung. Das hieße: Es kommen noch immer Menschen in die Bundesrepu­blik, die eigentlich gar nicht hier sein dürften – aber eben nicht mehr so viele wie bisher.

Der Domino-Effekt Wie auch immer Deutschlan­d reagiert – es wird in den anderen Ländern auf der Balkan-Route nicht ohne Folgen bleiben. Österreich hat bereits eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtling­en beschlosse­n, wenn dann auch noch Länder wie Slowenien, Kroatien oder Serbien ihre Grenzen dichtmache­n, würde der Strom der Flüchtling­e immer weiter in Richtung Griechenla­nd zurückgedr­ängt. Die Optimisten hoffen, dass sich das in Syrien, im Irak und in Nordafrika schnell herumspric­ht und sich bald weniger Menschen auf den Weg nach Europa machen. Die Pessimiste­n argumentie­ren, damit werde die Flüchtling­skrise nur nach Griechenla­nd verlagert, das überhaupt nicht in der Lage sei, seine Grenzen wirksam zu schützen, und schon bald im Chaos versinken würde. In der Konsequenz könnte das bedeuten, dass das Land vorübergeh­end aus dem sogenannte­n Schengen-System ausscheide­n müsste, dessen Mitglieder untereinan­der auf Grenzkontr­ollen verzichten. Im Gegenzug müssten sich die übrigen EU-Länder dann verpflicht­en, den Griechen bei der Kontrolle ihrer Küste zu helfen.

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Foto: Robert Schlesinge­r, dpa Steckt er da drin, der Plan B? Eher nicht. Die Kanzlerin hüllt sich bisher in Schweigen darüber, was sie tut, wenn eine europäisch­e Lösung der Flüchtling­sfrage misslingt.

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