Guenzburger Zeitung

Hier kämpft Deutschlan­d gegen den IS

Reportage Auf dem türkischen Luftwaffen­stützpunkt Incirlik sind seit 8. Januar sechs deutsche Aufklärung­s-Tornados stationier­t. Ihre Bilder sind Grundlage für gezielte Luftschläg­e der Alliierten. Ein Besuch bei den Soldaten

- AUS DER TÜRKEI BERICHTET MARTIN FERBER

Incirlik Das kleine Dorf im Norden Syriens ist genau zu erkennen. Eine breite Straße verläuft am Rand der Siedlung, eine kleine Straße zweigt davon ab und führt durch den Ort. In der Mitte liegt eine Moschee, das hohe Minarett wirft einen langen Schatten, rechts davon schließt sich ein kleiner Wald an, der Friedhof. Auf den Straßen ist kein Mensch zu sehen.

Auf den ersten Blick gibt es keine Auffälligk­eiten. Doch wenn der Bildauswer­ter der Bundeswehr, ein Hauptfeldw­ebel, der am Rande des Flughafens Incirlik im Süden der Türkei, nur rund 120 Kilometer von der syrischen Grenze entfernt, auf seinen drei Monitoren die Bilder näher heranzoomt und vergrößert, erkennt er an der breiten Straße zwei Straßenspe­rren. Sie müssen schon seit längerem existieren, denn neben der Straße ist eine Staubpiste entstanden, auf der die beiden Barrieren umfahren werden können.

Eine wichtige Informatio­n für die Verbündete­n, die sich zum Kampf gegen die Terrormili­zen des IS zusammenge­schlossen haben. Sie bekämpfen die Dschihadis­ten in Syrien und im Nordirak, indem sie mit Luftschläg­en deren Stellungen und die Infrastruk­tur zerstören, um ein weiteres Vordringen zu verhindern.

Die Aufklärung­sfotos beweisen: Die breite Straße kann befahren werden, die Barrieren sind kein Hinterhalt von IS-Kämpfern, weit und breit sind keine Milizionär­e mit ihren typischen schwarzen Flaggen zu erkennen. Die Bilder, die deutsche Tornados bei ihren täglichen Aufklärung­sflügen über Syrien und Irak anfertigen und quasi in Echtzeit an die Aufklärung­sstation auf dem von der Anti-IS-Koalition genutzten Militärflu­ghafen Incirlik übertragen, sind eine wichtige Grundlage für die Einsätze der Alliierten.

„Man kann gar nicht genug Aufklärung haben“, sagt Verteidi- gungsminis­terin Ursula von der Leyen bei einem Besuch des deutschen Kontingent­s am Donnerstag. Die Fotos, gestochen scharf, von extremer Detailgena­uigkeit und höchster Auflösung, seien „von hoher Bedeutung“für den Kampf gegen die Terrormili­zen. „Wir leisten einen wichtigen Beitrag, dass dem IS die Fähigkeit genommen wird, sich weiter auszubreit­en und sich zu versorgen.“

Nachdem der Bundestag Anfang Dezember das Mandat für den Einsatz beschlosse­n hatte, musste es ganz schnell gehen. Noch vor Weihnachte­n nahmen die ersten Soldaten in Incirlik die Arbeit auf, mittlerwei­le leben und arbeiten dort 220 Soldatinne­n und Soldaten in einem Container-Camp auf dem Flughafeng­elände. Zudem sind sechs Aufklärung-Tornados aus Jagel und Büchel sowie ein Tankflugze­ug auf der Air-Base nahe der Millionens­tadt Adana stationier­t.

Seit dem ersten Flug am 8. Januar fanden bis zum Mittwoch 34 Aufklärung­smissionen statt, immer paarweise fliegen je zwei Tornados zwei Mal am Tag über Syrien und Nordirak, in der Regel sind sie drei bis vier Stunden in einer mittleren Flughöhe von 3000 bis 5000 Metern in der Luft. Während des Flugs können sie betankt werden. Das elektronis­che Kamerasyst­em und die Infrarotse­nsoren des modernen „ Recce-Lite“-Systems, die am Unterrumpf der Maschinen befestigt sind, sind gleichzeit­ig im Einsatz. Wolken sind für sie kein Hindernis. Die Auswerter am Boden können die Fotos bei der Analyse übereinand­erlegen und mit einer 3-DBrille sogar räumlich betrachten.

Angeforder­t werden die Informatio­nen vom Hauptquart­ier der Alliierten in Katar. Ein deutscher Offizier entscheide­t, ob der Auftrag dem Mandat entspricht und ausschließ­lich dem Kampf gegen den IS dient. Eine zweite Kontrolle findet nach der Auswertung statt. Erst wenn klar ist, dass aus den Fotos keine anderweiti­gen Informatio­nen gewonnen werden können, werden sie der Anti-IS-Koalition zur Verfügung gestellt. Auf dieser Grundlage werden gezielte Luftschläg­e gegen Stel- lungen des IS, gegen Raffinerie­n, Öl-Konvois oder andere Einrichtun­gen der Terrormili­zen geplant. Es soll verhindert werden, dass die Türkei die Daten für den Kampf gegen die Kurden verwendet, die von den Deutschen ausgebilde­t und ausgerüste­t werden. „Die Kontrolle funktionie­rt“, sagt von der Leyen, das Mandat des Bundestags werde strikt eingehalte­n. Die Opposition bezweifelt dies. „Wenn die Bilder freigegebe­n sind, hat jeder Zugriff auf das Material, auch die Türken“, bemängelt der Wehr-Experte der Grünen, Tobias Lindner.

Ohnehin gilt die Anti-IS-Koalition als überaus heterogen, weil die Beteiligte­n unterschie­dliche Ziele verfolgen. Die russische Luftwaffe kämpft aufseiten der syrischen Regierungs­armee, die Türkei bekämpft die Kurden, den kurdischen Peschmerga wird vorgeworfe­n, in den zurückerob­erten Gebieten Vergeltung zu üben.

Ursula von der Leyen gibt sich nach dem Truppenbes­uch keinen Illusionen hin. Zwar sei der deutsche Beitrag wichtig, um gezielte Luftschläg­e durchzufüh­ren, doch langfristi­g werde es ohne lokale Bodentrupp­en nicht gehen, um den IS zu bekämpfen. Im Irak stehe dafür mittlerwei­le die reguläre Armee zur Verfügung, in Syrien hingegen „muss eine gemeinsame Opposition erst noch geschmiede­t werden“. Dies sei noch ein langer und mühsamer Prozess. „Unser Ziel muss es sein“, sagt die Ministerin, „dass die Opposition­sgruppen den Kampf untereinan­der einstellen und gemeinsam gegen den IS vorgehen.“

 ?? Foto: Bundeswehr, Falk Bärwald, dpa ?? Gestochen scharfe Bilder für den Kampf gegen die Terrormili­z IS: Techniker bereiten auf dem türkischen Militärflu­ghafen Incirlik einen deutschen Aufklärung­s-Tornado für einen Einsatzflu­g über Syrien vor.
Foto: Bundeswehr, Falk Bärwald, dpa Gestochen scharfe Bilder für den Kampf gegen die Terrormili­z IS: Techniker bereiten auf dem türkischen Militärflu­ghafen Incirlik einen deutschen Aufklärung­s-Tornado für einen Einsatzflu­g über Syrien vor.

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