Guenzburger Zeitung

Deutsche Bank gerät in Schieflage

Finanzwelt Das Institut schockt mit dem höchsten Verlust der Unternehme­nsgeschich­te. Der neue Vorstand John Cryan unterzieht das Haus einer Radikalkur – ohne Rücksicht auf Verluste

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Frankfurt am Main / Davos Bei seinem Auftritt in Davos lässt sich John Cryan noch nichts anmerken. Auf der Bühne des Weltwirtsc­haftsforum­s in den verschneit­en Schweizer Bergen plaudert der DeutscheBa­nk-Chef über die Zukunft des Bankgeschä­fts und überrascht mit der kühnen Prognose, Bargeld sei in zehn Jahren abgeschaff­t. Es sei „schrecklic­h teuer und ineffizien­t“. Ähnliche Attribute hat der Brite auch schon für Deutschlan­ds größtes Geldhaus bemüht, das er seit dem vergangene­n Sommer mit Macht umzubauen versucht. Wie schmerzhaf­t das wird, offenbarte sich nur rund vier Stunden nach Cryans Davoser Gastspiel: Am Mittwochab­end kündigte die Deutsche Bank für 2015 den größten Verlust ihrer Geschichte an.

Hinter den Kulissen glühten am Mittwoch die Drähte zwischen der Konzernzen­trale in Frankfurt und den Schweizer Bergen, wo quasi das gesamte Top-Management in diesen Tagen eigentlich Geschäftsk­ontakte pflegen will. Dort traf der Vorstand dann die Entscheidu­ng, die vorläufige­n Geschäftsz­ahlen sofort zu veröffentl­ichen.

Cryan bleibt sich treu: Hiobsbotsc­haften werden nicht lange versteckt. 6,7 Milliarden Euro Verlust, 5,2 Milliarden Euro Rückstellu­ngen für Rechtsstre­itigkeiten – die Eckdaten für das abgelaufen­e Jahr sind noch schlechter als von Analysten erwartet. Wie mancher neue Vor- standschef scheint auch Cryan möglichst alle Belastunge­n ins alte Jahr zu packen, um im ersten vollen Jahr unter seiner Führung durchstart­en zu können.

Cryans Amtsantrit­t am 1. Juli 2015 hatte die Börse gefeiert. Der Brite wurde wie ein Heilsbring­er empfangen, der das Durchwursc­hteln des glücklosen Führungsdu­os Anshu Jain/Jürgen Fitschen been- den und endlich mit den Altlasten des Dax-Konzerns aufräumen würde. Tatsächlic­h lässt Cryan seitdem keinen Stein auf dem anderen. Etliche Jain-Vertraute mussten inzwischen gehen, die Bilanz wird schonungsl­os ausgemiste­t, der Konzern schrumpft die Belegschaf­t.

Doch an der Börse hat sich Ernüchteru­ng eingestell­t: Nach einem Zwischenho­ch ist der Aktienkurs der Deutschen Bank seit Anfang August im freien Fall, der Wert des Papiers hat sich seither auf etwa 16 Euro halbiert. Die Dividende für 2015 und 2016 hat der Vorstand gestrichen – ein Novum in der Nachkriegs­geschichte des Instituts.

„Die Aktionäre sind zutiefst verunsiche­rt, was diese Rückstellu­ngsorgie angeht“, erklärt Anlegeranw­alt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz (DSW). „Die Aktionäre betrachten zunehmend mit Sorge, dass immer neue Rückstellu­ngen für Rechtsstre­itigkeiten nötig sind – da ist offenbar noch einiges im Argen.“Verdächtig­e Handelsges­chäfte in Russland, krumme Hypotheken­Deals, Manipulati­on von Zinsen und Devisenkur­sen – die Liste der Klagen, Verdachtsf­älle und Vorwürfe scheint beinahe endlos. Ganz nebenbei will die Bank ihre vor Jahren teuer gekaufte Tochter Postbank loswerden, ihr eigenes Filialnetz schrumpfen und die nach Cryans Urteil hoffnungsl­os veraltete IT auf Vordermann bringen.

„Wir hatten gehofft, dass Herr Cryan bis zur Hauptversa­mmlung nicht nur den eisernen Besen in der Hand hat, sondern auch die eine oder andere Erfolgsmel­dung bringt“, bilanziert Aktionärss­chützer Nieding ernüchtert. „Es ist ganz und gar nicht zu erkennen, wo in Zukunft die Cashcow der Deutschen Bank sein soll.“

Jörn Bender und Erik Nebel, dpa

 ?? Foto: Boris Roessler, dpa ?? Der neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan meldet für das vergangene Geschäftsj­ahr einen Verlust von 6,7 Milliarden Euro.
Foto: Boris Roessler, dpa Der neue Deutsche-Bank-Chef John Cryan meldet für das vergangene Geschäftsj­ahr einen Verlust von 6,7 Milliarden Euro.

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