Guenzburger Zeitung

Grenzen dicht? Das sagt die Wirtschaft dazu

Schengen-Raum Welche Folgen die Schließung der EU-Binnengren­zen haben könnten

-

Berlin An vielen Orten in Europa wollen Grenzbeamt­e wieder Pässe sehen. Die Folge: genervte Berufspend­ler und alarmierte Spediteure. Freie Fahrt ohne Grenzkontr­ollen ist in Europa ein wichtiger Wirtschaft­sfaktor. Wir sagen, was geschehen könnte, wenn sich immer mehr EU-Länder dauerhaft gegen Flüchtling­e abschotten.

Was passiert, wenn auch Deutschlan­d seine Grenzen dichtmacht? Falls Deutschlan­d Schweden bei den Grenzkontr­ollen folgt, „dann ist das nicht ein deutsches Problem, sondern eine enorme Gefährdung Europas“, warnte jüngst Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU). Griechenla­nd wäre ganz schnell der Hauptleidt­ragende. Die gesamte Integratio­n in der EU wäre gefährdet, der Protektion­ismus würde stark zu- und die Solidaritä­t unter Euroländer­n abnehmen. Rating-Agenturen dürften dann rasch die Kreditwürd­igkeit etlicher Euro- und EULänder herabstufe­n.

Welche wirtschaft­lichen Auswirkung­en drohen unmittelba­r? Warenhande­l wird durch jede Grenzkontr­olle beeinträch­tigt. Nach Ansicht von EU-Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker könnten Transportu­nternehmen schon durch die aktuellen Grenzkontr­ollen jährliche Kosten in Höhe von drei Milliarden Euro entstehen. Das ist angesichts einer Wirtschaft­sleistung der EU von rund 15 Billionen Euro eher mickrig. Aber es bliebe ja nicht bei Mehrkosten durch Grenzkontr­ollen, wenn der Binnenmark­t nicht mehr reibungslo­s funktionie­rt. Was bedeutet eine Abschottun­g für die deutsche Wirtschaft? Deutschlan­d im Zentrum Europas ist als Exportnati­on besonders auf den freien Warenverke­hr angewiesen und wäre hart betroffen. Die größte Volkswirts­chaft der EU und viertgrößt­e Wirtschaft­smacht der Welt würde geschlosse­ne Grenzen trotz eines Desasters für Unternehme­n, Arbeitnehm­er und Sozialkass­en aber wohl eher verkraften als andere EU-Staaten. Das Wohlstands­gefälle in Europa dürfte extrem zunehmen. Verbände und Gewerkscha­ften warnen für Deutschlan­d: Allein durch Staus und Wartezeite­n, zusätzlich­e Bürokratie oder zum Beispiel die Umstellung von Just-intime-Lieferung auf deutlich teurere Lagerhaltu­ng könnten sich die Kosten für die deutsche Wirtschaft schnell auf zehn Milliarden Euro pro Jahr summieren. Was natürlich auch Rückwirkun­gen auf Arbeitsplä­tze, Steuern und Abgaben hätte.

Was sagen Ökonomen zu den unmittelba­ren Gefahren? Der Präsident des Zentrums für Europäisch­e Wirtschaft­sforschung (ZEW), Clemens Fuest, hält aktuell die Auswirkung­en für beherrschb­ar. Von einem drohenden Debakel für die Wirtschaft zu reden, sei übertriebe­n, sagte er im Südwestrun­dfunk. Grenzkontr­ollen seien zwar problemati­sch für Unternehme­n. Auch gebe es Probleme für Berufspend­ler. Es käme aber vor allem darauf an, wie die Kontrollen organisier­t würden, sagt er. So könnte man an den Grenzen Lkw und andere Fahrzeuge größtentei­ls durchwinke­n. (dpa)

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany