Schwäbische Wundertüte
TV-Fasching Neben den bewährten Kräften geben einige Fernseh-Neulinge der größten Prunksitzung in der Region den nötigen Pfiff. Über drei Stunden dauert der organisierte Frohsinn. Und leider ist auch die Sicherheit der Narren ein Thema
Memmingen Am Schluss brodelt es noch einmal in der prächtig geschmückten Memminger Stadthalle, als die Guggamusiker der Lumpenkapelle Aitrach auf die Pauke hauen und ihre Blasmusik-Instrumente ausreizen. Fast dreieinhalb Stunden Fasching sind vorüber: „Schwaben weissblau, hurra und helau“. Zum 13. Mal wird heute die schwäbische Faschings-Wundertüte im Fernsehen geöffnet – jedes Mal vor einem Millionenpublikum in Deutschland.
Das Konzept gleicht sich über all die Jahre: Man nehme vier bis fünf in der Region bekannte Faschingsgrößen und baut drumherum sein Programm. „Ein Selbstläufer ist das aber nie geworden“, sagt Christian Faust, Redaktionsleiter beim Bayerischen Rundfunk ( BR). Wert legt der aus Mainz stammende Faust vor allem darauf, „immer für Neues offen zu sein“. Das sei der große Unterschied zur „Fassnacht in Franken“, die in einer Woche live aus Veitshöchheim gesendet wird. „Da sind ausschließlich Profis auf der Bühne. Die Plätze für die immer gleichen Protagonisten sind quasi fest gebucht.“Der Franken-Fasching ist die mit Abstand bestgesehene Sendung im BR: Vergangenes Jahr verbrachten fast 2,4 Millionen Menschen in Bayern ihren Fernsehabend im Dritten Programm, was einem Marktanteil von 47,9 Prozent entsprach.
Etwas bescheidener nehmen sich da die Schwaben aus (2015: 0,83 Millionen Zuschauer in Bayern, 17,2 Prozent Marktanteil; deutschlandweit 1,32 Millionen Zuschauer). An Kosten und Mühen scheitert es beim BR nicht, den schwäbischen Fasching ins beste Licht zu rücken. Über Kosten wird geschwiegen, die Mühen aber sind dokumentiert:
Vorbereitungen Die Bühnendekoration wurde ab 7. Januar aufgebaut. Mit der Fernsehtechnik ging es vier Tage später los. Aufgezeichnet wurde am 14. und 15. Januar in der Memminger Stadthalle. Etwa vier Kilometer Kabelwege wurden verlegt. Die Veranstalter, neben dem BR ist das der Regionalverband BayerischSchwäbischer Fastnachtsvereine (BSF), sind zufrieden damit; der BSF deshalb, weil er sich keine bessere Bühne vorstellen kann, um den Menschen zwischen Nordsee und Zugspitze die Vielfalt des schwäbischen Faschings zu präsentieren.
Einer, der immer mit dabei war, ist Bauchredner Perry Paul aus Krumbach. Zwölf verschiedene Charaktere kann der 62-Jährige spielen. Im Augenblick ist Mauskat-
Mitarbeiter/Mitwirkende Gut 80 Personen umfasst das Team des Bayerischen Rundfunks – viele Handwerksberufe sind darunter (beispielsweise Maler, Schlosser, Dekorateur, Schneider, Beleuchter, Elektriker). Auf der Bühne standen circa 150 Protagonisten.
Kostüme Zwischen 600 und 800 Kostümteile sind aus dem Fundus des BR mit nach Memmingen genommen worden. (ioa) ze Amadeus die bevorzugte Handpuppe. Amadeus hat inzwischen ein Problem: Die Politikerinnen, mit denen er so gerne auf offener Bühne geflirtet hat, kommen ihm abhanden. Die frühere Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) sitzt nicht mehr im Kabinett. Der Besuch in Memmingen hat sich damit offenbar auch erledigt. Und „Ersatzfreundin“Ilse Aigner (CSU) konnte aus Termingründen nicht kommen.
Überhaupt war der „Promifaktor“in Memmingen heuer ungewöhnlich niedrig. Sitzungspräsident Georg Ried begrüßte vergangenen Freitagabend Justizminister Winfried Bausback (CSU), obwohl der nicht im Saal war. Bausback schunkelte bei der ersten Aufzeichnung tags zuvor mit. Die Bilder werden nach dem Gruß dann einfach reingeschnitten. Der Minister sollte das einzige Mitglied der Staatsregierung bleiben. Aus dem Bundeskabinett ließ sich Umweltstaatssekretär Florian Pronold, zugleich Chef der Bayern-SPD, blicken.
Die insgesamt 1200 Augenzeugen bekamen vor einer Woche einen Querschnitt schwäbischer Fa- schingskunst aus acht Landkreisen und kreisfreien Städten geboten. Unterstützt wurden die Narren aus Oberbayern und Baden-Württemberg. Spektakulär war etwa der Showtanz der Laudania Lauingen, witzig bei seiner Premiere das Duo „Hillus Herzdropfa“, das den kernigen Dialekt der Schwäbischen Alb pflegt.
Was die Besucher nicht bemerkten und wovon nur Eingeweihte wussten: „Schwaben weissblau“wurde mit so vielen Kräften geschützt wie nie zuvor. 20 zusätzliche Personen, die sich ausschließlich um die Sicherheit der Veranstaltung kümmerten, waren engagiert worden. Außerdem lag erstmals ein 50-seitiges Sicherheitskonzept vor. „Ein Team von uns war vor einigen Wochen im Pariser Fußballstadion. Nach deren Schilderungen war für uns klar, dass wir reagieren müssen“, erklärte Produktionsleiter André Roger Schmitt.
„Schwaben weissblau, hurra und helau“heute um 19.45 Uhr im Bayerischen Fernsehen. 185 Minuten werden gesendet, 180 waren geplant.