Guenzburger Zeitung

Angeklagte­r belastet den toten Freund

Justiz Bei einer Entenjagd geht ein Boot mit fünf Menschen unter. Zwei Männer ertrinken. Das Boot war viel zu klein, sagt ein Gutachter. Doch der Jagdherr ist sich keiner Schuld bewusst

- VON HARALD JUNG

Ingolstadt/Geisenfeld „Das waren meine Freunde, darum geht mir das alles immer noch so nah“, sagt der 70-jährige Angeklagte dem Richter. Der Mann soll den tödlichen Unfall bei der Entenjagd an Silvester 2013 auf einem Teich bei Geisenfeld (Landkreis Pfaffenhof­en) verschulde­t haben.

Das Teichgut ist seit vier Generation­en in Familienbe­sitz: Fischzucht im großen Stil, drum herum ausgedehnt­e Waldungen – eine herrliche Idylle. Um den Ertrag zu erhöhen, veranstalt­et er auch Jagden, schildert der Gutsherr. Wie an Silvester 2013: Die Jagdgesell­schaft teilt sich auf. Zwei Jägerinnen – darunter die Frau des Angeklagte­n – und drei Jäger wollen von sogenannte­n Schwimmstä­nden im Wasser auf Enten schießen, die übrigen vom Ufer aus. Die Schwimmstä­nde in dem 850 Meter langen Teich sollen mit einem Aluminiumb­oot angefahren werden. Gesteuert wird es von einem Jäger, der sich auf dem Gut gerade als Teichwirt ausbilden lässt.

Urplötzlic­h geht das Boot unter. Während die Frauen und der Bootsführe­r schwimmend die rund 50 Meter bis zum Ufer schaffen, versinken die beiden Jäger (33 und 70 Jahre). Der Ältere kann nach einer Viertelstu­nde leblos aus dem drei Grad kalten Wasser gezogen und reanimiert werden. Er stirbt aber drei Tage später an den Folgen. Der 33-Jährige taucht nicht mehr auf. Polizeitau­cher bergen seine Leiche Tage später vom Grund.

Der Fall beschäftig­te bereits im Dezember 2014 das Amtsgerich­t Pfaffenhof­en. Der Teichgutbe­sitzer und Jagdherr wurde wegen fahrlässig­er Tötung und gefährlich­en Eingriffs in den Schiffsver­kehr zu knapp 20 000 Euro (140 Tagessätze) Geldstrafe verurteilt. Der damals mit angeklagte Bootsführe­r akzeptiert­e in der Beweisaufn­ahme überrasche­nd doch den Strafbefeh­l über 100 Tagessätze, gegen den er Einspruch eingelegt hatte.

Nicht ohne Grund: Ein Gutachter hatte zuvor dem Pfaffenhof­ener Richter erklärt, dass das kleine Aluminiumb­oot mit fünf Menschen überladen war. Maximal drei hätten darin Platz nehmen dürfen, so der Sachverstä­ndige.

Der Jagdherr ist sich heute wie damals keiner Schuld bewusst. Beim Auftakt des Berufungsv­erfahrens gestern am Landgerich­t Ingolstadt gab er eine neue Darstellun­g, die sich deutlich unterschei­det von jener in der ersten Instanz. Der Mann sagt nun, die gesamte Verantwort­ung habe bei seinem „besten Freund“, dem ums Leben gekommenen 70-Jährigen, gelegen. Der habe unbedingt mit einigen Bekannten auf diese Jagd wollen, alles organisier­t und sei auch für die Sicherheit zu- ständig gewesen. Er habe sogar darauf hingewiese­n, dass Schwimmwes­ten vorhanden seien, sagt der Gutsherr. Aber ausgerechn­et sein alter Jagdgefähr­te habe ihn vor den anderen ausgelacht: „Das Wasser ist eiskalt, da helfen die nix – da bist nach vier Minuten spätestens sowieso hin!“, habe der Tierarzt gescherzt. Außerdem seien alle dick eingekleid­et gewesen und hätten die Gewehre und viel Munition dabei gehabt. Mit Schwimmwes­ten wäre es noch enger geworden und überdies würden die ja auch beim Schießen behindern, „darum wollte niemand eine haben“, sagt der Ange- klagte. Das Gericht hegt große Zweifel an dieser Version. Auch, weil ein Mitarbeite­r des Teichgutes in erster Instanz gesagt hatte, dass man in der Regel ein größeres Boot nahm, wenn mehr als drei Menschen befördert werden sollten. Dieses Boot habe aber ein Leck gehabt.

Staatsanwa­lt Nicolas Kaczynski glaubt dem Angeklagte­n kein Wort: „Sie versuchen hier, auf dem Rücken ihres sehr guten Freundes die ganze Verantwort­ung abzuladen“, hielt er dem Angeklagte­n vor. Tiefe Betroffenh­eit sehe anders aus. Auf weitere Nachfrage des Anklagever­treters räumte der 70-Jährige ein, dass jeder der bis zu 14 Teilnehmer an den Jagden mindestens 900 Euro berappen müsse. Im Jahr nach dem Unglücksfa­ll hat der Mann sieben Jagden durchgefüh­rt. So viele wie noch nie in einem Jahr.

Bei einer Verurteilu­ng droht dem Gutsherrn und Waidmann auch der Entzug von Jagdschein und Waffenbesi­tzkarte. Letztere musste er bereits einmal – für die Dauer von rund acht Jahren – abgeben. Damals war ihm wiederholt Laxheit im Umgang mit Jagdwaffen nachgewies­en worden. Das Urteil wird am 23. Februar erwartet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany