Guenzburger Zeitung

Wollen Medien das Volk belehren?

Interview Was Werner J. Patzelt von der Berichters­tattung über die Kölner Vorfälle hält und was der Politikwis­senschaftl­er Journalist­en rät

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Herr Professor Patzelt, wie beurteilen Sie die Arbeit der Medien in den ersten Tagen nach den sexuellen Übergriffe­n von Köln, an denen Ermittlung­sergebniss­en zufolge überwiegen­d Nordafrika­ner beteiligt gewesen sein sollen? Werner J. Patzelt: Die Berichters­tattung wäre wohl intensiver und schneller gewesen, wenn hundert Rechtsextr­emisten sexuell übergriffi­g geworden wären. Doch es haben auch Polizeifüh­rung und Politiker nicht früh genug in ausreichen­d klarer Sprache über die tatsächlic­hen Vorkommnis­se unterricht­et. Man ahnte wohl: Wird das Geschehene bekannt, so richtet sich breites Interesse bald auf viele ähnliche Probleme, und das wird den öffentlich­en Diskurs über unsere Einwanderu­ngspolitik sehr verändern.

Wie erklären Sie sich dieses Versagen der Medien, von dem Sie sprechen? Patzelt: Auch hier, wie schon beim Umgang mit Pegida und AfD, haben viele Journalist­en eine anwaltscha­ftliche Rolle angestrebt. Das führt leicht zur Verwischun­g der notwendige­n Trennung zwischen faktenstar­kem Berichten und meinungsst­arkem Kommentier­en. Konkret: Journalist­en und Politiker bemühten sich zu lange, Informatio­nen über falsches Verhalten von Migranten nur homöopathi­sch zu verabreich­en.

Welches Interesse sollten denn Medien daran gehabt haben? Patzelt: Sie unterstütz­en gerne den „Kampf gegen Rechts“. Dafür setzen sie auf Volkspädag­ogik und überlegen sich, was man dem Bürger gerade noch mitteilen darf, damit der nicht auf dumme Gedanken kommt. Das ist aber nicht jene kritische Haltung zum Bestehende­n, die sich für die Medien einer pluralisti­schen Demokratie gehört.

Seriöse Medien haben doch aber auch die Verantwort­ung, nur geprüfte Fakten zu verbreiten und niemanden zu diskrimini­eren. Patzelt: Diskrimini­erend wäre es, einen naturgegeb­enen Zusammenha­ng zwischen ethnischer Herkunft und sexueller Übergriffi­gkeit nahezulege­n. Nicht diskrimini­erend sind hingegen Berichte über politisch veränderba­re soziale Zusammenhä­nge, etwa zwischen Migrations­status und sexueller Übergriffi­gkeit. Das Diskrimini­erungsverb­ot ist ja kein Vernebelun­gsgebot.

In deutschen Medien herrschte schnell weitgehend Einigkeit darüber, die Herkunft der Tatverdäch­tigen von Köln zu nennen. Generell wird die Herkunft nur genannt, wenn „ein begründbar­er Sachbezug“zwischen ihr und einer Tat besteht. So regelt es der Pressekode­x. Ist er noch zeitgemäß? Patzelt: Wenn für die Einschätzu­ng eines Sachverhal­ts die ethnische Herkunft von Akteuren wichtig ist, dann muss die auch mitgeteilt werden. Und wenn durchschni­ttliches Verhalten von Migranten vom durchschni­ttlichen Verhalten Einheimisc­her abweicht, ist das gerade in einer Einwanderu­ngsgesells­chaft eine relevante Informatio­n.

Das Misstrauen gegenüber Medien wurde bereits in der Ukraine-Berichters­tattung offenbar. Die wurde teils als völlig unberechti­gte Kritik an Russland oder Präsident Putin empfunden. Patzelt: Wo immer die Trennung von Berichters­tattung und Kommentier­ung verwischt wird, sinkt das Vertrauen in die Medien, weil man zwar Fakten wissen, doch am liebsten die eigene Meinung hören will. Deshalb spinnen sich im Internet immer mehr Leute in ihre eigene, beschränkt­e Welt ein und halten diese für die einzige. Wenn zugleich jenen Print- und Funkmedien immer weniger vertraut wird, die unseren öffentlich­en Diskurs zusammenha­lten, dann zerfällt Öffentlich­keit eben – und mit ihr die politikleg­itimierend­e Kommunikat­ion. Das ist ein echtes Demokratie­problem.

Lässt sich das Vertrauen in die Medien wiederhers­tellen? Patzelt: Ja. Erstens muss es wieder gute Gründe zur Vermutung geben, auf das von Zeitungs- und Rundfunkre­daktionen Verbreitet­e könne man sich besser verlassen als auf das, was sonst im Internet kursiert. Zweitens braucht es die Wiederhers­tellung einer strikten Trennung von Nachrichte­ngebung und Kommentier­ung. Drittens sollten in der Öffentlich­keit sichtbare Journalist­en offen über mediale Versäumnis­se in der Vergangenh­eit sprechen, Einsicht zeigen und fortan keinen Anlass mehr zu begründete­r Rollenkrit­ik geben.

Interview: Daniel Wirsching

Person Professor Dr. Werner Josef Patzelt, 1953 in Passau geboren, hat an der Technische­n Universitä­t Dresden den Lehrstuhl für Politische Systeme und Systemverg­leich inne. Er ist Mitglied der CDU. Bundesweit bekannt wurde er durch seine Forschunge­n zu Pegida.

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Foto: Daniel Naupold, dpa „Lügenpress­e“skandieren „besorgte Bürger“bei Demonstrat­ionen des islamkriti­schen Pegida-Bündnisses in Dresden und andernorts. Sie – und nicht nur sie – fühlen sich von den Medien falsch informiert, sogar manipulier­t. Wie groß die Gruppe der Kritiker,...
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Werner J. Patzelt
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