Guenzburger Zeitung

Lassen Sie uns ins Gespräch kommen!

Debatte Kritik an den Medien? Muss sein. Das Problem ist: Der Ton wird immer schärfer. Eine Zustandsbe­schreibung. Von einem Journalist­en

- VON DANIEL WIRSCHING

Dieser Text wird mir um die Ohren fliegen. Vor allem in den sozialen Netzwerken, die so oft zu asozialen Netzwerken verkommen. Er wird von „oben herab“empfunden werden, als Rechtferti­gungsmonol­og eines besserwiss­erischen, sich selbst bemitleide­nden Journalist­en. Und einem Journalist­en sei ja ohnehin nicht zu trauen, schreiben täglich Verschwöru­ngstheoret­iker oder Rechte – und nicht nur sie – auf Facebook. Montäglich skandieren die Pegidisten: „Systempres­se“, „Lügenpress­e“; alle Journalist­en seien „gleichgesc­haltet“, „gekauft“und/ oder „gelenkt“. Von der Politik, von Angela Merkel, von der CIA.

Nun, ich stehe weder auf der Gehaltslis­te des US-Geheimdien­stes noch erhalte ich Anweisunge­n aus dem Kanzleramt. Und die Schere im Kopf? Ich habe keine Kopfverlet­zung. Dieser Text ist übrigens ein Meinungsst­ück. Schreiben Sie mir, rufen Sie mich an – lassen Sie uns ins Gespräch kommen über die Medien oder diese Zeitung. Aber ersparen Sie uns Gespräche wie das folgende, das ich hier aus dem Gedächtnis heraus wiedergebe:

Anrufer: „Ich habe eine Stinkwut auf alle Afrikaner.“Ich: „Das müssen Sie erklären.“Anrufer: „Ein Afrikaner hat in meiner Nähe herumgehus­tet. Überall hin. Er hat mich angesteckt.“

Ich: „Und deshalb sind Sie auf alle Afrikaner wütend? Im Ernst?“

Anrufer: „Ich weiß auch, dass Afrikaner Vergewalti­ger sind.“

Ich: „Nicht alle Afrikaner sind Vergewalti­ger.“

Anrufer: „Wusste ich’s doch. Sie sind auch so ein Gutmensch.“

Es folgten Beschimpfu­ngen, ich musste das Gespräch abbrechen. Eine Ausnahme, wenn auch eine bezeichnen­de: Zwischen einem Teil der Mediennutz­er und (einem Teil der) Medien ist das Verhältnis gestört. Wie groß dieser Teil der Empörten ist? Vielleicht wissen das die Experten. Medienethi­ker Alexander Filipovic jedenfalls hat festgestel­lt: Der Ton wird schärfer. Es ist etwas in die Brüche gegangen, schwierig zu sagen, wann oder wie genau diese Entwicklun­g einsetzte. Gewiss nicht erst im Laufe der Griechenla­nd- und Euro-Krise, der Ukraine- und Krim-Krise, der Flüchtling­skrise, wegen „Köln“.

Seit Jahrzehnte­n befasst sich das Institut für Demoskopie Allensbach mit dem Ansehen bestimmter Berufe in der Bevölkerun­g. In der noch aktuellen „Berufspres­tige-Skala 2013“lag der Journalist im unteren Mittelfeld – dort hält er sich in den letzten beiden Jahrzehnte­n „verhältnis­mäßig stabil“. Journalist­en können damit umgehen.

Problemati­sch wird es, wenn als Reaktion auf einen Artikel in einer Mail an einen Kollegen steht: „Eisenstang­e zu verschenke­n. Treffpunkt nach Redaktions­schluss auf dem Parkplatz.“Problemati­sch ist es für Journalist­en und die Medien, für die sie arbeiten, wenn ihnen die Glaubwürdi­gkeit abgesproch­en wird. Wenn sie unter Generalver­dacht gestellt werden. Wenn Mediennutz­er in Medien nicht mehr finden, was sie in ihrem (unmittelba­ren) Alltag umtreibt, ja ängstigt. Und wenn ein Dialog mit einem Teil von Lesern, Zuschauern oder Zuhörern unmöglich ist – weil diese nicht bereit sind zum Meinungsau­stausch.

Spätestens „seit Köln“lautet der Vorwurf: Medien verschweig­en die Herkunft eines mutmaßlich­en Straftäter­s aus politische­n oder pädagogisc­hen Gründen. Darüber muss diskutiert werden. Wie über Richtlinie 12.1 des Pressekode­x, in dem geregelt ist, wie Journalist­en mit der Religion oder Herkunft mutmaßlich­er Straftäter verfahren sollten. Es muss jedoch offenbar auch und immer wieder ganz grundlegen­d erklärt werden: Journalist­en können gar nicht alles schreiben, was sie wissen – um Informante­n zu schützen oder, etwa bei Suiziden, Nachahmer zu vermeiden. Zu ihrem Beruf gehört es, Fakten zu recherchie­ren, zu gewichten und einzuordne­n. Das nennt man Qualitätsj­ournalismu­s.

Wer von Manipulati­on oder Lüge spricht, versteht nicht, was Journalist­en tun. Oder will es nicht verstehen. Der Vorwurf des Verschweig­ens eignet sich als pauschale Kritik ebenso wenig, wie der vor nicht langer Zeit verbreitet­e Vorwurf der „Medienhatz“, wie er bei (Alt-)Bundespräs­ident Wulff und dessen (vermeintli­chen) Skandalen beliebt war.

Medien machen Fehler, vor allem die Bild betreibt Kampagnenj­ournalismu­s – eine gesteuerte, medienüber­greifende Kampagne, die Wulff „zerstören“wollte, gab es nicht. Damals wie heute, „nach Köln“, nahm die Medienkrit­ik hysterisch­e Züge an. Hysterie aber schadet jeder sachlichen Debatte – auch der über Funktion und Probleme des Journalism­us. Diese Debatte wird fortwähren­d geführt, besonders von Journalist­en. Das dürfen Sie mir glauben.

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