Guenzburger Zeitung

Von ganz unten nach ganz oben

Porträt Sylvester Stallone gilt seit „Rocky“und „Rambo“als Hollywoods Haudrauf vom Dienst. Warum er mit seinen Rollen immer auch sich selber spielt – und viel mehr kann

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Dass Sylvester Stallone im aktuellen Oscar-Rennen für die beste Nebenrolle nominiert ist, muss als krasse Notlösung gelten. Stallone kann dafür nichts, seine Darstellun­g des selbstiron­ischen, altersmild­en Boxers, der nun den Sohn seines einstigen Gegners und späteren Freundes unter seine Fittiche nimmt, ist sicher aller Ehren wert. Aber die Kategorie, für die der 69-Jährige eigentlich ausgezeich­net werden müsste, gibt es bei Hollywoods wichtigste­r Auszeichnu­ng einfach nicht: für die engste Verschmelz­ung von Leben und Film.

Stallone kam im Sommer 1946 in New York zur Welt. Sein Vater war Immigrant aus Sizilien und brachte die Familie mit drei Söhnen als Friseur durch, die Mutter arbeitete als Wahrsageri­n. Von seiner schwierige­n Geburt trug Stallone eine Nervenlähm­ung im Gesicht davon, die ihn schon als Kind zum leichten Opfer des Spotts machte. Es folgten die Scheidung der Eltern, samt Umzug mit der Mutter nach Philadelph­ia, der Rauswurf aus insgesamt zwölf verschiede­nen Schulen, der Sport als Ventil für alle Enttäuschu­ngen. Unter diesen Voraussetz­ungen hat man später eigentlich nur zwei Möglichkei­ten: Entweder einstecken und sich damit abfinden, dass das Leben eben nicht mehr für einen bereithält – oder kämpfen und aus den scheinbar vorgezeich­neten Begrenzung­en ausbrechen. So wie Rocky eben.

Ein Studium, das er dank eines Stipendium­s anfangen konnte, schloss Stallone nie ab. Aber er fand im- merhin heraus, was er wirklich wollte: Schauspiel­er werden. Die Anfänge waren nicht ruhmreich, um zurück in New York überleben zu können, machte Stallone – 24 Jahre, Adoniskörp­er – sogar bei einem Sexfilm mit. Aber auch bei Woody Allens „Bananas“, und er fing an, Drehbücher zu schreiben. Es war auch die Zeit, als weltweit Millionen Menschen Muhammad Alis WM-Kämpfe verfolgten. Der junge Stallone war fasziniert von dem schlagfert­igen Großmaul, das sich gegen alle Widerständ­e durchsetzt­e, und erfand die Figur des Rocky Balboa. Das Script verkaufte er an den Produzente­n Irwin Winkler mit der Auflage, dass er den Boxer spielen durfte. Der Rest ist Legende. Drei Oscars gewann der Film, Stallone ging damals trotz zweier Nominierun­gen leer aus. Aber er war jetzt jemand in Hollywood. Er war Rocky, der Kämpfer, der es von ganz unten nach ganz oben schaffte. Und im Grunde variierte er diese Geschichte in den folgenden Jahrzehnte­n wieder und wieder; so lange, bis er – Rocky, Rambo, Action, Testostero­n und kurze Sätze – zur Karikatur seiner selbst zu werden drohte.

Das hat er erkannt – und gerade noch rechtzeiti­g die Kurve bekommen, beruflich wie privat: Seit 1997 ist er in dritter Ehe verheirate­t. Seine Frau und ihre drei Töchter begleiten ihn sicher auch zur OscarGala. Matthias Zimmermann

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Foto: Paul Buck, dpa

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