Guenzburger Zeitung

Mann kommt es an

Warum der türkische Premier umgarnt wird

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Berlin Angela Merkel gehört zu den Menschen, auf die man wartet. Keine von denen, die selber warten müssen. Am Freitag musste sie aber doch, mehr als eine halbe Stunde. Dann erst traf der türkische Ministerpr­äsident Ahmet Davutoglu zu den ersten offizielle­n deutsch-türkischen Regierungs­konsultati­onen im Kanzleramt ein. Davutoglu ist in einer Position, in der er sich das leisten kann. Auf sein Land ist die Kanzlerin angewiesen, wenn sie die Flüchtling­skrise doch noch in den Griff bekommen will. Die CDUChefin nennt die Türkei das Schlüssell­and. Von den über 1,5 Millionen Flüchtling­en, die 2015 in die EU gelangten, kamen die meisten über die Türkei.

Auch deshalb bestand Merkel darauf, dass die EU Ende November mit der Türkei einen Pakt schloss: finanziell­e und politische Zusagen gegen das Verspreche­n, die Flüchtling­szahlen einzudämme­n. Deshalb wird nun wieder über einen türkischen EU-Beitritt verhandelt. Deshalb gibt es nun regelmäßig­e EUGipfel mit der Türkei. Und zum ersten Mal auch deutsch-türkische Regierungs­konsultati­onen.

Dabei äußerte sich Davutoglu auch zur Kritik an der Kanzlerin. Merkel habe „im Rahmen des Gewissens der Menschheit einen historisch­en Schritt getan“, den man in 25 oder 30 Jahren richtig schätzen werde. „Weder Frau Merkel noch Deutschlan­d sind in dieser Frage allein.“Die Türkei werde Deutschlan­d in dieser kritischen Phase „Hand in Hand“begleiten.

Doch der türkische Premier weiß auch um seine gute Verhandlun­gsposition: Von den drei Milliarden Euro, die die EU der Türkei versproche­n hat, ist noch kein einziger Cent angekommen. Und Davutoglu nutzt das Gespräch mit Merkel gleich mal, um zu erklären, dass selbst die drei Milliarden nicht reichen würden. Die bisherigen Zusagen seien „nur dazu da, den politische­n Willen zur Lastenteil­ung zu zeigen“. Es ist wie so oft in der internatio­nalen Politik: ein ziemlich komplizier­tes Geschäft von Geben und Nehmen. Der nächste große Termin ist nun der EU-Gipfel Mitte Februar in Brüssel. Auch dann wird Davutoglu dabei sein. (dpa)

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