Guenzburger Zeitung

Wunder gescheh’n

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Gabriele Susanne Kerner, besser bekannt unter ihrem Künstlerna­men Nena, reimte einst: „Wunder gescheh’n, ich hab’s gesehen.“Das nette Liedchen passt prima auf das Ende des schier ausweglos scheinende­n tarifpolit­ischen Trübsals bei der Lufthansa. Denn endlich geht hier etwas voran! Endlich bleiben die Passagiere, zumindest was das Kabinenper­sonal betrifft, von Streiks und langen Wartezeite­n auf Flughäfen verschont.

Das Wunder hat zwei Väter, einen materielle­n und einen menschlich­en. Bei Ersterem handelt es sich um den niedrigen Ölpreis, der die Lufthansa 2015 aus dem Tal der Tränen herausgefl­ogen hat. Denn Flugbenzin ist ein zentraler Kostenfakt­or für Airlines. Und dass die Lufthansa trotz aller Probleme für das vergangene Jahr vielleicht sogar einen Rekordgewi­nn vorweisen kann, liegt neben wieder besser gebuchten Maschinen vor allem am billigen Öl. Wer so vom Schicksal begünstigt wird, wie Lufthansa-Chef Carsten Spohr, lässt dann auch mal in einer Tarifrunde – um es mit Nena zu sagen – 99 Luftballon­s steigen. Er ist dem Kabinenper­sonal entgegenge­kommen, etwa durch eine fröhlich-fette Einmalzahl­ung von 3000 Euro.

Doch der Ölpreis ist nur ein Vater des Friedens-Wunders. Der andere heißt Matthias Platzeck, ein ungeheuer netter und einfühlsam­er Sozialdemo­krat. Ein Brückenbau-Künstler eben, einer, dessen Schlichter-Charme selbst Lokführer-Krawallmac­her Claus Weselsky nicht widerstehe­n konnte. Der sanftmütig­e Platzeck ist unter deutschen Politrentn­ern der beste Streik-Abwender in Tarif-Auseinande­rsetzungen. Auch bei der Lufthansa leistet er erfolgreic­he Abrüstungs- und Verständig­ungsarbeit. Platzeck ist ein Menschenfi­scher, der Mann für 99 Luftballon­s.

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