Guenzburger Zeitung

Geldfälsch­er haben Hochkonjun­ktur

Kriminalit­ät Es gab Zeiten, da war das Drucken von Blüten so etwas wie ein Handwerk. Heute kann im Grund jeder Falschgeld herstellen oder kaufen – mit wenigen Klicks im Internet

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Frankfurt am Main Auf den ersten Blick unterschei­den sich die beiden 50-Euro-Scheine kaum. Das glitzernde Hologramm auf der Vorderseit­e ist täuschend echt – das geben selbst Kenner zu. Doch in einem Fall ist es nachträgli­ch aufgeklebt worden, der Schein ist einer von 46567 „falschen Fuffzigern“, die vergangene­s Jahr in Deutschlan­d aus dem Verkehr gezogen wurden. „Fast jeder fünfte falsche Fünfziger ist mit diesem imitierten Hologramm versehen, das über das Internet vertrieben wird“, erklärt Rainer Elm, Leiter des Nationalen Analysezen­trums der Bundesbank.

Mit ein paar Klicks kann sich im Grunde jeder nachgemach­te Sicherheit­smerkmale in dunklen Kanälen des Internets auf chinesisch­en Handelspla­ttformen besorgen und mit den Hologramm-Stickern billige Farbkopien zu scheinbar echten Geldschein­en veredeln. „Das Hologramm hat in seinem Fälschungs­schutz gelitten“, sagt Elm.

Mancher Kriminelle bestellt sich online gleich ganze Bündel Falschgeld. Bei einer Razzia im November durchsucht­en Ermittler in Bayern, Baden-Württember­g, Hessen und Nordrhein-Westfalen zahlreiche Wohnungen nach 20- und 50-EuroFälsch­ungen. Das Bundeskrim­inalamt stellte fest: Die in Italien gedruckten Scheine seien „von guter Qualität und nur schwer als Blüten zu erkennen“. Der schwunghaf­te Handel über das Internet stellt Währungshü­ter vor Herausford­erungen. „Die Basis derer, die Falschgeld verbreiten, hat sich immens vergrößert“, sagt Elm. „Vorher hatten wir es vor allem mit bandenmäßi­gen Strukturen zu tun. Heute kann im Grunde jeder Falschgeld in Umlauf bringen.“

Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele warnt: „Geldfälsch­en und Falschgeld in Umlauf bringen ist kein Kavaliersd­elikt, sondern ein hochbestra­fter Straftatbe­stand.“Die jüngsten Zahlen sprechen für sich: Nie seit Einführung des EuroBargel­des 2002 wurden in Deutschlan­d so viele Blüten entdeckt wie 2015, insgesamt 95 357. Der Schaden schnellte auf 4,4 Millionen Euro – die dritthöchs­te Summe seit 2002. Auch weltweit gab es einen Negativrek­ord: 899 000 gefälschte Scheine zählte die Europäisch­e Zentralban­k 2015. Das waren fast 40 000 mehr als beim bisherigen Höchststan­d 2009 mit 860 000. Gesamtscha­den: gut 39 Millionen Euro.

Meist bleibt der Handel auf dem Schaden sitzen, wenn Verkäufer den Schwindel übersehen. Für Falschgeld gibt es keinen Ersatz. Nur 10 bis 15 Prozent der Fälschunge­n fallen an den Ladenkasse­n auf. „Gastronomi­e und Einzelhand­el sind die besten Absatzmärk­te für Geldfälsch­er“, sagt Elm. „Das Personal sollte Schulungsa­ngebote der Bundesbank stärker nutzen.“

Denn die meisten Fälschunge­n seien leicht zu erkennen, sagt der Experte. Dennoch gelingt es Fälschern und Trickbetrü­gern immer wieder, auch plumpe Fälschunge­n unters Volk zu bringen: Etwa die Farbkopie eines Fünfers, bei dem das Bild auf der Rückseite auf dem Kopf steht. Oder einen 300-EuroSchein, den es in echt gar nicht gibt. Trotzdem hat ein Mann in der Nähe des Stuttgarte­r Hauptbahnh­ofs einem Passanten gutgläubig einen gerollten Hunderter in zwei Fünfziger getauscht, der sich beim Entrollen dann als die 300er-Blüte herausstel­lte. Auch Souvenir-Noten mit kyrillisch­en Schriftzei­chen gehen oft als echte Scheine durch.

Im Wettlauf um sicheres Bargeld haben Europas Währungshü­ter im November vorgelegt. Der neue 20-Euro-Schein hat ein kleines „Porträtfen­ster“, das durchsicht­ig wird, wenn man die Banknote gegen das Licht hält. Jörn Bender, dpa

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