Guenzburger Zeitung

Grablicht und Wodka

- WAS NICHT WAHR SEIN KANN

Was die Leute so denken, steht viel in Leserbrief­en und montags auf Transparen­ten. Aber wie die Leute so sind, wie sie sich verhalten, was zum Beispiel abends bei ihnen auf den Tisch kommt – so etwas offenbart sich an der Supermarkt­kasse. Alltagsthe­ater, eine Folge kleiner Dramolette.

Gestern die Frau, die sich, auf eigenartig­e Weise energisch schlurfend an den Wartenden vorbeidrän­gt und dabei in die Ergebenhei­t der ausharrend­en Kunden murmelt: „Ich hab’ nur das, danke.“Was sie hat? Ein rotes Grablicht und eine kleine Flasche Wodka. Geht sie jetzt rüber zum Friedhof und trinkt einen auf die Toten, so wie sie in Mexiko oder auf den Philippine­n feiern auf den Gräbern zu Allerheili­gen? Oder ist das Grablicht ein unbeholfen­es Ablenkungs­manöver vom Wodka?

Einige Abende zuvor eine andere Szene. Ein Mann wuchtet seine Einkäufe aufs Band, darunter zwei 1,5 Liter-Tetrapacks mit Rotwein. Der Kunde vor ihm, auch er noch in der Schlange anstehend, nimmt wortlos eines der Tetrapacks hoch, studiert die Aufschrift und fragt den Mann, der den Billigwein gewählt hat: „Schmeckt der?“Keine Antwort, nur ein stummes Schulterzu­cken. „14 Prozent“, sagt der Interessie­rte, „das ist fei viel.“Unverständ­liches Gemurmel. „Wenn der gut ist, probiere ich den auch mal“, fährt der Interessie­rte fort, „aber so eine Menge würd’ ich gar nicht schaffen.“Schweigen. Das Band ruckelt vor, in den Tetrapacks schaukelt unsichtbar der Wein.

An einem anderen Abend zwei Monteure in Latzhosen, wortkarg, abgekämpft nach langem Arbeitstag. Draußen steht ihr Lieferwage­n, Frankfurte­r Nummer. Wahrschein­lich wohnen sie in irgendeine­r Pension mit 60-Watt-Birne in der Stoffdecke­nlampe. Es wird jedenfalls auf dem Zimmer Würstchen aus dem Glas, abgepackte­s Brot und Bier geben. (mls)

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