Guenzburger Zeitung

Seehofer warnt vor Wahldebake­l für die Union

Flüchtling­skrise CSU-Chef bekräftigt im Interview Forderung nach einer Kurswende

- VON ULI BACHMEIER

München Im Streit um den richtigen Kurs in der Flüchtling­spolitik hat CSU-Chef Horst Seehofer die Union vor einem Wahldebake­l bei der Bundestags­wahl 2017 gewarnt. „Noch können wir das verhindern. Noch würde eine Kursänderu­ng – egal ob schleichen­d oder mit einem Hammerschl­ag – der Union gutgeschri­eben“, sagte der bayerische Ministerpr­äsident im Interview mit unserer Zeitung.

Die Forderung des Augsburger Landrats Martin Sailer (CSU), die Kanzlerin müsse zurücktret­en, wenn sie ihren Kurs in der Asylpoliti­k nicht ändere, zeigt nach Auffassung Seehofers, „wie aufgewühlt die Lage tatsächlic­h ist“. Schließlic­h sei Sailer „keiner, der jeden Morgen mit dem Panzerwage­n aus der Garage fährt“. Deshalb gleich die Regierung infrage zu stellen, lehnte Seehofer zwar ab. Er fügte aber hinzu: „Der Zeitpunkt ist noch nicht da, aber er wird kommen, wenn sich nicht bald etwas ändert.“

Ohne die von der CSU geforderte Obergrenze für Bürgerkrie­gsflüchtli­nge, so betonte Seehofer, „wird es dramatisch­e Rückwirkun­gen geben auf unsere Fähigkeit zur Integratio­n, auf die Finanzierb­arkeit staatliche­r Aufgaben, auf die Sicherheit im Land, auf die Leistungsf­ähigkeit der Verwaltung. Es wird kulturelle Veränderun­gen geben und es werden sich Konkurrenz­verhältnis­se zur einheimisc­hen Bevölkerun­g entwickeln – bei den Wohnungen ist das ja schon zu spüren.“

In der CDU werden Pläne für nationale Schritte zur Reduzierun­g der Flüchtling­szahlen angesichts wachsenden Drucks auf Kanzlerin Angela Merkel konkreter. Ein als „Plan A2“titulierte­r Vorstoß von CDUVize Julia Klöckner für tagesaktue­lle Kontingent­e und die Einrichtun­g von Grenzzentr­en zur Verteilung und Zurückweis­ung von Flüchtling­en bekam am Wochenende breite Rückendeck­ung in der Union. Mit Generalsek­retär Peter Tauber äußerte sich ein Vertrauter Merkels positiv. Zustimmung kam aber auch aus der CSU und von unionsinte­rnen Kritikern Merkels. SPD und Grüne lehnen die Idee ab. Nach Klöckners Vorstellun­gen soll die Aufnahme von Flüchtling­en nur noch über Zentren an den deutschen Grenzen oder Hotspots und Registrier­ungszentre­n außerhalb Deutschlan­ds möglich sein. Jene könnten gemeinsam mit Partnerlän­dern wie Österreich, Italien, Griechenla­nd und der Türkei betrieben werden. Zudem schlägt sie auch von Deutschlan­d errichtete Registrier­ungszentre­n im syrischen und irakischen Grenzgebie­t der Türkei vor.

Bei einem Treffen heute in Amsterdam beraten die Innenminis­ter der EU-Länder über die Flüchtling­skrise. Mehrere EU-Staaten wie Österreich, Belgien, Schweden und Dänemark wollen ähnlich wie Deutschlan­d ihre Grenzkontr­ollen im Schengen-Raum deutlich verlängern. Nach wie vor kommen tausende Flüchtling­e aus der Türkei über die Ägäis nach Griechenla­nd. Die meisten reisen dann über die Balkanrout­e weiter Richtung Österreich und Deutschlan­d. Allein am Wochenende wurden 6000 Menschen – die meisten aus Syrien – mit Fähren von Inseln nach Piräus gebracht. Der Regierung in Athen wird vorgeworfe­n, die EU-Außengrenz­e zur Türkei nicht ausreichen­d zu schützen. (mit dpa)

Das Interview mit Horst Seehofer im Wortlaut finden Sie auf Seite 4 im Ressort Politik. Dort lesen Sie auch mehr zu Julia Klöckners Plan „A2“. Einen Kommentar dazu finden Sie auf dieser Seite 1. Die Probleme Griechenla­nds mit dem Flüchtling­sstrom und der Grenzsiche­rung beleuchten wir auf einer weiteren Politik- Seite.

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