Guenzburger Zeitung

Will er die ganze Welt umarmen?

Porträt Der iranische Präsident Hassan Ruhani nutzt das Ende der Sanktionen zu einer Charmeoffe­nsive. Wie gemäßigt ist der einstige Mitstreite­r Khomeinis eigentlich?

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Das Tempo ist atemberaub­end, mit dem der iranische Präsident Hassan Ruhani, 68, sein Land aus der Isolation holen will. Kaum ist das Abkommen in Kraft, in dem der Iran auf den Bau einer Atombombe verzichtet, scheint der schiitisch­e Geistliche an der Spitze des früheren Persien die ganze Welt umarmen zu wollen. Am Wochenende rief er in Teheran mit dem chinesisch­en Staatschef Xi Jinping eine „neue Ära“der bisher schon guten Zusammenar­beit aus. Heute startet er zu einer Europareis­e, bei der er nicht nur 114 AirbusFlug­zeuge einkaufen, sondern auch mit dem Papst reden will. Wirtschaft­liche Kooperatio­n und Entspannun­g gegenüber dem Christentu­m – das sind Elemente einer wirklich neuen iranischen Politik.

Aber im Iran selbst ist die neue Zeit noch nicht angebroche­n. Ei- gentlicher Herrscher ist nicht der Staatspräs­ident, sondern der religiöse Führer Ajatollah Ali Chamenei. Im politische­n Tagesgesch­äft bremst der konservati­ve Wächterrat die Reformer aus. Jetzt hat das Gremium praktisch alle Reformkand­idaten für die Parlaments­wahl in fünf Wochen gesperrt: Von 3000 wurden nur 30 zugelassen. Ruhani protestier­te postwenden­d – ob er Erfolg haben wird, muss sich zeigen.

Wie wurde Ruhani eigentlich zum Aushängesc­hild der gemäßigten Kräfte? Und: Ist er wirklich ein Reformer? Viele Fragen ranken sich um den Mann, der aus der Mitte des iranischen Mullah-Regimes kommt. Bereits als junger Geistliche­r, noch während der Herrschaft des Schahs, agitierte er gegen dessen westlich orientiert­es, autoritäre­s Regime. Er soll sogar der Erste gewesen sein, der den ins Ausland verbannten Ajatollah Ruhollah Khomeini „Imam“nannte und damit als Führer anerkannte. Seit Khomeinis Revolution 1979 bekleidete Ruhani hohe Ämter im neuen theokratis­chen System, vorwiegend im Sicherheit­sbereich. Unter anderem kommandier­te er im Krieg mit dem Irak die Luftwaffe und war stellvertr­etender Oberbefehl­shaber aller Streitkräf­te. Er gehörte dem Parlament an, fungierte als Sicherheit­sberater zweier Präsidente­n und leitete die iranische Delegation bei den Atomgesprä­chen. Kurz-

Foto: dpa um: Bis zum Amtsantrit­t als Staatspräs­ident 2013 war Ruhani eine der Stützen des Mullah-Regimes. Während der „grünen Revolution“2009 stellte er sich nicht auf die Seite der protestier­enden Jugend. Doch die reformwill­igen Kräfte sahen in Ruhani den gemäßigtst­en aller Kandidaten und unterstütz­ten ihn im Wahlkampf. Er hat sie nicht enttäuscht. Er setzte das Atomabkomm­en gegen alle Widerständ­e durch – und schuf so die Voraussetz­ung für die Öffnung des isolierten, unter Sanktionen leidenden Landes.

Ruhani ist als Sohn eines Gewürzhänd­lers im Zentralira­n zur Welt gekommen. In Ghom studierte er Theologie und in Teheran Jura. Den Doktortite­l erwarb er viele Jahre später an der Kaledonisc­hen Universitä­t Glasgow (Schottland). Der Präsident ist verheirate­t und hat vier Kinder. Winfried Züfle

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