Volkswagen-Kronzeuge packt jetzt aus
Abgas-Skandal Nach Berichten sollen mehr Manager als bisher bekannt über Manipulationen Bescheid gewusst haben. Auch Opel unter Druck
Wolfsburg Von den Abgasmanipulationen bei VW-Fahrzeugen haben Medienberichten zufolge deutlich mehr Führungskräfte gewusst als bisher bekannt. In der betreffenden Abteilung sei es kein Geheimnis gewesen, dass VW bei den Abgastests der Behörden in den USA und Europa nur so die Schadstoff-Grenzwerte scheinbar habe einhalten können, berichteten am Samstag Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR. Sie beriefen sich auf Aussagen eines Insiders.
Dabei geht es um einen VW-Mitarbeiter, der den Recherchen zufolge gegenüber Ermittlern der Braunschweiger Staatsanwaltschaft umfassend ausgesagt hat. Der „Kronzeuge“war demnach selbst an Manipulationen beteiligt. Seinen Aussagen zufolge wussten nahezu alle mit den Abgas-Problemen befassten Führungskräfte in der VW-Motorenentwicklung von den Manipulationen oder waren sogar daran beteiligt. Gegenüber anderen Abteilungen im Konzern hätten sich die Beteiligten auf ein „Schweigegelübde“verständigt, hieß es. Der „Kronzeuge“sagte demnach allerdings auch, er selbst habe den führenden VWManager Heinz-Jakob Neußer damals informiert. Dieser habe jedoch nicht reagiert. Begonnen wurde mit den Manipulationen demnach bereits 2006.
Der Volkswagen-Konzern bezeichnete die Berichte als „reine Spekulationen“, zu denen man sich nicht äußern wolle. Es wurde auch auf die laufenden Untersuchungen verwiesen. Offiziell will VW bei der Aktionärsversammlung im April interne Untersuchungsergebnisse vorlegen. Parallel gehen auch die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen weiter, die allerdings länger dauern dürften.
Während Volkswagen nicht zur Ruhe kommt, gab Daimler-Chef Dieter Zetsche für sein Unternehmen gestern endgültig Entwarnung. Die infolge der VW-Affäre vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordneten Nachprüfungen bei Fahrzeugen der Marken Mercedes und Smart hätten „keine auffälligen Abgaswerte“ergeben. „Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Ab- gaswerte manipuliert“, sagte Zetsche. Er sprach sich als Konsequenz aus der Affäre dafür aus, generell die Prüfverfahren zu verschärfen, um realitätsnähere Ergebnisse zu erreichen.
Für Volkswagen rücken die Tage der Wahrheit derweil immer näher. Ende Januar sollen die ersten Dieselwagen mit manipulierter Software hierzulande zur Werkstatt rollen, auf dass die Mechaniker per Programm-Update den Auslöser für den größten Skandal in der VW-Firmengeschichte ausschalten. Es ist eine logistische Mammutaufgabe.
Auf das Netz der VW-Vertragswerkstätten rollt mit dem Massenrückruf in der Diesel-Affäre eine gigantische Arbeitswelle zu. Laut VW gibt es bundesweit 2173 Volkswagen-Partner, deren Werkstätten für den Rückruf autorisiert sind. Damit ergeben sich mit den 2,4 Millionen zurückgerufenen Diesel rechnerisch 1100 Fahrzeuge pro Werkstatt.
Branchen-Insider gehen von durchschnittlich mindestens 90 Minuten Arbeitszeit pro betroffenem Wagen aus, worin neben der eigentlichen Nachbesserung auch die Zeit für Formulare und Dokumentation steckt. VW nennt 30 Minuten reine Arbeitszeit. Für die Kunden dürfte eine Stunde realistisch sein – rein zum Autohaus, dort den Papierkram machen, auf die Einfahrt in die Werkstatt warten, dann die halbe Stunde dort, dann wieder raus. Vielleicht gibt es auch Wartezeiten.
Und nun gerät auch Opel unter Druck. Dem Autobauer droht wegen angeblich höherer Abgaswerte beim Modell Zafira Ärger in Belgien. Das belgische Wirtschaftsministerium kündigte Untersuchungen an, wie ein Sprecher von Minister Kris Peeters bestätigte. Der Minister fordere von Opel Transparenz über eventuelle Software-Änderungen. Zuvor hatte der Sender VRT berichtet, dass in zwei Fällen belgische Opel-Händler die Emissionswerte beim Zafira nachträglich angepasst haben sollen, ohne die Besitzer der Fahrzeuge zu informieren. Dabei gehe es um die Anpassung einer Software. Opel hatte in der vergangenen Woche Anschuldigungen von VRT scharf zurückgewiesen. „Es ist nicht zutreffend, dass OpelHändler beim Zafira Tourer mit 1,6-Liter-Dieselmotor eine modifizierte Software aufgespielt haben, die das Abgasverhalten des Fahrzeugs verändert.“(afp, dpa)