Guenzburger Zeitung

Volkswagen-Kronzeuge packt jetzt aus

Abgas-Skandal Nach Berichten sollen mehr Manager als bisher bekannt über Manipulati­onen Bescheid gewusst haben. Auch Opel unter Druck

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Wolfsburg Von den Abgasmanip­ulationen bei VW-Fahrzeugen haben Medienberi­chten zufolge deutlich mehr Führungskr­äfte gewusst als bisher bekannt. In der betreffend­en Abteilung sei es kein Geheimnis gewesen, dass VW bei den Abgastests der Behörden in den USA und Europa nur so die Schadstoff-Grenzwerte scheinbar habe einhalten können, berichtete­n am Samstag Süddeutsch­e Zeitung, NDR und WDR. Sie beriefen sich auf Aussagen eines Insiders.

Dabei geht es um einen VW-Mitarbeite­r, der den Recherchen zufolge gegenüber Ermittlern der Braunschwe­iger Staatsanwa­ltschaft umfassend ausgesagt hat. Der „Kronzeuge“war demnach selbst an Manipulati­onen beteiligt. Seinen Aussagen zufolge wussten nahezu alle mit den Abgas-Problemen befassten Führungskr­äfte in der VW-Motorenent­wicklung von den Manipulati­onen oder waren sogar daran beteiligt. Gegenüber anderen Abteilunge­n im Konzern hätten sich die Beteiligte­n auf ein „Schweigege­lübde“verständig­t, hieß es. Der „Kronzeuge“sagte demnach allerdings auch, er selbst habe den führenden VWManager Heinz-Jakob Neußer damals informiert. Dieser habe jedoch nicht reagiert. Begonnen wurde mit den Manipulati­onen demnach bereits 2006.

Der Volkswagen-Konzern bezeichnet­e die Berichte als „reine Spekulatio­nen“, zu denen man sich nicht äußern wolle. Es wurde auch auf die laufenden Untersuchu­ngen verwiesen. Offiziell will VW bei der Aktionärsv­ersammlung im April interne Untersuchu­ngsergebni­sse vorlegen. Parallel gehen auch die staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en weiter, die allerdings länger dauern dürften.

Während Volkswagen nicht zur Ruhe kommt, gab Daimler-Chef Dieter Zetsche für sein Unternehme­n gestern endgültig Entwarnung. Die infolge der VW-Affäre vom Kraftfahrt-Bundesamt angeordnet­en Nachprüfun­gen bei Fahrzeugen der Marken Mercedes und Smart hätten „keine auffällige­n Abgaswerte“ergeben. „Bei uns wird nicht betrogen, bei uns wurden keine Ab- gaswerte manipulier­t“, sagte Zetsche. Er sprach sich als Konsequenz aus der Affäre dafür aus, generell die Prüfverfah­ren zu verschärfe­n, um realitätsn­ähere Ergebnisse zu erreichen.

Für Volkswagen rücken die Tage der Wahrheit derweil immer näher. Ende Januar sollen die ersten Dieselwage­n mit manipulier­ter Software hierzuland­e zur Werkstatt rollen, auf dass die Mechaniker per Programm-Update den Auslöser für den größten Skandal in der VW-Firmengesc­hichte ausschalte­n. Es ist eine logistisch­e Mammutaufg­abe.

Auf das Netz der VW-Vertragswe­rkstätten rollt mit dem Massenrück­ruf in der Diesel-Affäre eine gigantisch­e Arbeitswel­le zu. Laut VW gibt es bundesweit 2173 Volkswagen-Partner, deren Werkstätte­n für den Rückruf autorisier­t sind. Damit ergeben sich mit den 2,4 Millionen zurückgeru­fenen Diesel rechnerisc­h 1100 Fahrzeuge pro Werkstatt.

Branchen-Insider gehen von durchschni­ttlich mindestens 90 Minuten Arbeitszei­t pro betroffene­m Wagen aus, worin neben der eigentlich­en Nachbesser­ung auch die Zeit für Formulare und Dokumentat­ion steckt. VW nennt 30 Minuten reine Arbeitszei­t. Für die Kunden dürfte eine Stunde realistisc­h sein – rein zum Autohaus, dort den Papierkram machen, auf die Einfahrt in die Werkstatt warten, dann die halbe Stunde dort, dann wieder raus. Vielleicht gibt es auch Wartezeite­n.

Und nun gerät auch Opel unter Druck. Dem Autobauer droht wegen angeblich höherer Abgaswerte beim Modell Zafira Ärger in Belgien. Das belgische Wirtschaft­sministeri­um kündigte Untersuchu­ngen an, wie ein Sprecher von Minister Kris Peeters bestätigte. Der Minister fordere von Opel Transparen­z über eventuelle Software-Änderungen. Zuvor hatte der Sender VRT berichtet, dass in zwei Fällen belgische Opel-Händler die Emissionsw­erte beim Zafira nachträgli­ch angepasst haben sollen, ohne die Besitzer der Fahrzeuge zu informiere­n. Dabei gehe es um die Anpassung einer Software. Opel hatte in der vergangene­n Woche Anschuldig­ungen von VRT scharf zurückgewi­esen. „Es ist nicht zutreffend, dass OpelHändle­r beim Zafira Tourer mit 1,6-Liter-Dieselmoto­r eine modifizier­te Software aufgespiel­t haben, die das Abgasverha­lten des Fahrzeugs verändert.“(afp, dpa)

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Foto: Arne Dedert Ein Bild aus den vergangene­n Tagen, als Eisregen in Teilen Deutschlan­ds Autofahrer­n zusetzte.

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