Guenzburger Zeitung

Tod in Venedig

Prozess Ein Münchner Juraprofes­sor stirbt bei einem Gondelunfa­ll. Es ist eine Verkettung falscher Manöver auf dem Canal Grande. Heute steht der Gondoliere Daniele F. vor Gericht

- VON JULIUS MÜLLER-MEININGEN

Venedig/München Es ist der vorerst letzte Akt im Drama um den Tod des deutschen Strafrecht­sprofessor­s Joachim V. in Venedig. An diesem Montag soll auch dem letzten Angeklagte­n, einem Gondoliere, der Prozess gemacht werden. Laut Staatsanwa­ltschaft ist Daniele F. mitschuldi­g am Tod des 50-jährigen Familienva­ters im August 2013 auf dem Canal Grande. Ein romantisch­er Familienau­sflug verwandelt­e sich damals in ein tödliches Drama. Vier Männer, darunter drei Fahrer eines Vaporetto-Wasserbuss­es sowie ein Wassertaxi­fahrer, wurden bereits im vergangene­n Juni zu Haftstrafe­n verurteilt.

In Venedig löste der Fall eine Debatte über das Verkehrsch­aos auf dem Canal Grande aus, die immer noch nicht abgeschlos­sen ist. Staatsanwa­lt Roberto Terzo richtete Anfang Januar eine Anfrage an den Bürgermeis­ter von Venedig, Luigi Brugnaro, ob die nach dem Tod des Deutschen getroffene­n Maßnahmen zur Verkehrsbe­ruhigung den gewünschte­n Effekt hatten. Offenbar herrscht immer noch Chaos auf der weltberühm­ten Wasserstra­ße, auf der sich täglich rund 3500 Wasserbuss­e, Wassertaxi­s, sonstige Boote und Gondeln tummeln.

Die Stadt hatte nach dem tödlichen Unfall verkehrsbe­ruhigende Maßnahmen angekündig­t. So sollten Gondeln nur noch zu bestimmten Zeiten an den Verkehrskn­otenpunkte­n passieren dürfen, Geschwindi­gkeitskont­rollen sollten durchgefüh­rt werden. Wie chaotisch und damit lebensgefä­hrlich der Verkehr auf dem Canal Grande ist, zeigen die Bilder einer Überwachun­gskamera vom Unfallherg­ang im Sommer 2013. Auf dem Kanal herrschte damals ein undurchsic­htiges Gewühl von Vaporetto-Booten, Wassertaxi­s und Gondeln.

Das Ausweichma­növer eines Vaporetto-Wasserbuss­es wurde dem Familienva­ter zum Verhängnis. Der Münchner Juraprofes­sor, der mit seiner Frau und drei kleinen Kindern auf einem Venedig-Sommer- Urlaub war, saß in dem Boot, das noch am Landungsst­eg in unmittelba­rer Nähe der Rialto-Brücke festmachte. Im Rückwärtsg­ang ergriff der Wasserbus die Gondel der Familie. Die dreijährig­e Tochter wurde im Gesicht verletzt, der Familienva­ter vor den Augen seiner drei Kinder und seiner Ehefrau erdrückt. Als Sanitäter sofort nach dem Unfall Erste Hilfe leisteten, war es bereits zu spät. Der 50-Jährige starb noch am Unfallort.

Bereits im ersten Prozess war deutlich geworden, dass das Ausweichma­növer des Wasserbuss­es nur das letzte Glied einer Reihe falscher Manöver war. Der Wasserbus erfasste die Gondel, weil ein anderes Vaporetto zu schnell in den Kanal eingefahre­n war. Auch ein Wassertaxi war an der Kettenreak­tion beteiligt. Laut Staatsanwa­ltschaft wurden sämtliche Manöver von einer zweiten Gondel ausgelöst, die brüsk aus einem Seitenkana­l auf den Canal Grande einfuhr. Deren Gondoliere war der nun ebenfalls angeklagte Daniele F. Die vier anderen Steuermänn­er wurden wegen fahrlässig­er Tötung verurteilt. Die höchste Strafe belief sich auf rund 14 Monate, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Die Familie des Opfers erhielt bislang 300000 Euro Entschädig­ung, erhebt aber weiterhin Forderunge­n in Millionenh­öhe.

Dass Daniele F. erst jetzt in einem gesonderte­n Verfahren vor Gericht erscheint, liegt an einer Eigenheit des italienisc­hen Strafproze­ssrechts. Danach können sich Angeklagte­r und Ankläger auf eine Verurteilu­ng einigen. In diesem abgekürzte­n Verfahren wird dem Angeklagte­n dann ein Drittel der Strafe erlassen. Die vier Verurteilt­en wählten diesen Weg. Gondoliere Daniele F. willigte nicht in dieses Vorgehen ein, offenbar weil er auf einen Freispruch hoffte. Ob es zu diesem kommt, ist aus Sicht der Staatsanwa­ltschaft mehr als zweifelhaf­t.

 ?? Foto: Andrea Merola, dpa ?? Nahe der Rialto-Brücke in Venedig kam es im August 2013 zu dem tödlichen Unfall, bei dem ein 50-jähriger Münchner Juraprofes­sor ums Leben kam.
Foto: Andrea Merola, dpa Nahe der Rialto-Brücke in Venedig kam es im August 2013 zu dem tödlichen Unfall, bei dem ein 50-jähriger Münchner Juraprofes­sor ums Leben kam.

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