Guenzburger Zeitung

Szenen einer Ehe

Geschichte Wie lebt es sich an der Seite eines Regenten, der fremdgeht und jähzornig ist? Davon erzählt Carolin Philipps in ihrer Biografie über Therese, der Ehefrau von Bayernköni­g Ludwig I.

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Was für eine Frau war Therese? Philipps: Überaus zärtlich, sanft, liebenswür­dig, aber auch zäh. Und sehr religiös, der Glaube ließ sie die vielen Fehler Ludwigs aushalten. Das Bindeglied waren die Kinder, da hat sie sich sehr viel mehr engagiert, als das damals üblich war. Das kannte sie von zu Hause.

Dort war das Geld äußerst knapp. Philipps: Oh ja, und in München kam Therese plötzlich an einen Hof, wo das Geld mit vollen Händen ausgegeben wurde. Allein die Hochzeit der beiden, das erste Oktoberfes­t, war eine Märchenhoc­hzeit mit allem Prunk. Deshalb wurde die Realität hinterher umso härter. Ludwig hielt Therese extrem knapp. Sie musste ihm sämtliche Ausgaben vorlegen, und wenn das über ihr Budget ging und er vorgestrec­kt hat, musste sie Zinsen zahlen.

Hat Therese über die gute Partie mit dem Wittelsbac­her froh sein müssen? Philipps: Sie hätte mit Sicherheit noch andere bekommen, Napoleon wollte sie ja auch heiraten. Vom Rang her war sie keine schlechte Partie. Aber das bayerische Königshaus bedeutete einen Karrieresp­rung, und sie kannte ihre Pflichten. Eine Scheidung wäre nie infrage gekommen, sie hätte die geliebten Kinder verloren, also musste sie Ludwigs Seitensprü­nge ertragen.

Das lag gewisserma­ßen in der Familie. Philipps: Ihrer Schwiegerm­utter Caroline ging es mit Max I. Joseph nicht anders. Das Problem für Therese war nur, dass Ludwig ihr zärtliche Liebesbrie­fe und Gedichte schrieb. Das hat sie immer wieder eingelullt – damit wurde der nächste Betrug umso schlimmer. Dass sie sich nicht wehrte, hatte sicher auch mit seinem Jähzorn zu tun. Ludwig konnte regelrecht ausflippen. War das pathologis­ch? Philipps: Durchaus. Er misshandel­te sie ja auch. Aber man will das nicht wahrhaben. In den Biografien über Ludwig I. geht es um die Politik und den großen Kunstmäzen, der München entscheide­nd prägte. Doch das Volk hat gelitten. Genauso musste die Familie sparen, sparen, sparen, während er immense Summen ausgab, um seine Kunstvisio­nen zu verwirklic­hen.

Es wird aber auch über den Frauenheld­en gelästert. Philipps: Er bewegte sich mit den entspreche­nden Damen ja in der Öffentlich­keit, sodass bald auch die Zeitungen darüber berichtet haben. Das konnte Therese nicht verborgen bleiben, wobei sie das wahre Ausmaß sicher nicht kannte.

Wie hat Ludwig das für sich geregelt? Philipps: Er brauche das als Künstler, das würde seine „Fantasie anregen“, hat er gesagt. Und das hätte nichts mit der Liebe zu seiner Frau zu tun. Irgendwann hat er das dann sicher auch geglaubt mit seiner kuriosen Selbsteins­chätzung.

Alles andere als ein Märchenpri­nz. Philipps: Nein, er war keine Schönheit, er hat gestottert und genuschelt, und durch seine Schwerhöri­gkeit sprach er viel zu laut. Im Grunde war er unsicher.

Wollte er sich mit den vielen Frauen etwas beweisen? Philipps: Sicher. Dazu kam dann auch dieser Durst nach dem Schönen, also genau nach dem, was er nicht war. Und jede Eroberung kam einer Bestätigun­g gleich.

Dabei kursierten böse Kommentare. Georg Büchner etwa schrieb: „Sehet an das von Gott gezeichnet­e Scheusal, den König Ludwig von Baiern … das Schwein, das sich in allen Lasterpfüt­zen von Italien wälzte“. Philipps: So etwas wäre nie zu ihm vorgedrung­en. Ein König bekommt das vorgelegt, was er lesen soll. Und da die Minister zu feige waren, Negatives zu überbringe­n, wusste Ludwig irgendwann nicht mehr, was im Land passiert. Lediglich von den Kanzeln gab’s Gegenwind.

Ludwig hat die katholisch­e Kirche unglaublic­h gefördert. Er muss ja doch ein schlechtes Gewissen gehabt haben beim dauernden Ehebruch. Philipps: Er hat sogar versucht, von einem Priester einen Dispens zu erhalten, dass für ihn als König das sechste Gebot nicht gilt. Aber immer, wenn er wieder seiner „poetischen Fantasie“nachgegang­en war, kam hinterher ein Dekret, das der katholisch­en Kirche noch mehr Macht einräumte.

Dabei war seine Frau eine tief gläubige Protestant­in. Philipps: Ludwig proklamier­t am Anfang die Religionsf­reiheit. Aber vermutlich war er gar nicht so tolerant, denn ausgerechn­et während seiner Regentscha­ft wurde die katholisch­e Kirche gestärkt wie kaum jemals zuvor. Er sah sich ja sogar als Stellvertr­eter des Papstes in Bayern.

Die Mischehe wurde von Papst Gregor XVI. als „verbrecher­ische Gemeinscha­ft“bezeichnet. Hätte sich Ludwig nicht von Therese trennen müssen? Philipps: Das ist wieder das Schizophre­ne, das sich durch die Persönlich­keit Ludwigs zieht. Bei der würdelosen Beerdigung seiner protestant­ischen Stiefmutte­r ist ihm dann aber klar geworden, wie mächtig der erzkatholi­sche Klerus inzwischen geworden war.

Die Schizophre­nie wird mit Lola Montez perfekt. Philipps: Als Peitsche schwingend­e, Zigarre rauchende Domina war sie das komplette Gegenteil der frommen, tadellosen Therese, und der König verrückt vor Leidenscha­ft. Lola hat genommen, was sie kriegen konnte.

Mit der Montez verspielte Ludwig absolut alles. Philipps: Therese hatte die Liebschaft­en erduldet, solange sie nicht den Hof, also ihren Bereich, betrafen. Ludwig aber wollte die zur Gräfin erhobene Lola genau dort einführen. Da hat die Königin zum ersten Mal gestreikt – und alle standen hinter ihr. Die Staatskris­e kam ins Rollen, und am Ende kostete es beide 1848 die Krone.

Therese war ausdauernd, aber Ludwig überlebte sie doch um 14 Jahre. Philipps: Sie starb 1854 zwar an der Cholera, aber ihr Körper war schon lange geschwächt, das Herz, die zahlreiche­n Schwangers­chaften, der Stress mit Ludwig hinterließ­en Spuren. Und die Affäre mit Lola gab ihr den Rest, danach war Therese nur noch krank.

Was ist außer dem Oktoberfes­t von Therese geblieben? Philipps: Sie war eine wirkliche Landesmutt­er, sie hat geholfen, wo es ging. Das zeigt sich in einigen Stiften, Krankenhäu­sern, Altersheim­en und Schulen, die nach ihr benannt sind. Bei Ludwig sieht man Bauwerke – das sind tote Dinge. Bei Therese gibt es dagegen ein lebendiges Vermächtni­s.

Interview: Christa Sigg

Carolin Philipps ist Historiker­in und Autorin. Ihr Buch „Therese von Bayern“ist im Piper-Verlag erschienen (400 S., 10,99 ¤).

 ??  ?? Bayerische­s Königspaar: Therese (1792 – 1854) und Ludwig I. (1786 – 1868) in zeitgenöss­ischen Gemälden.
Bayerische­s Königspaar: Therese (1792 – 1854) und Ludwig I. (1786 – 1868) in zeitgenöss­ischen Gemälden.
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Fotos: Bayer. Schlösserv­erwaltung; picture-alliance

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