Mehr Gelassenheit durch Selbstakzeptanz
Psychologie Münsteraner Professor warnt vor überzogenen Erwartungen, die wir an uns stellen
Münster/Frankfurt a. M. Menschen reagieren unterschiedlich auf die zunehmenden Herausforderungen der Gesellschaft. Während die einen ihre Ellbogen einsetzen, zerbrechen andere an den Ansprüchen an sich selbst. Als Weg zu mehr Gelassenheit plädiert der Münsteraner Psychologieprofessor Michael Krämer dafür, sich selbst gegenüber gnädiger zu sein. „Wenn man sich selbst besser annehmen kann, wird man auch mit anderen Menschen besser auskommen“, sagt der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Psychologinnen und Psychologen.
Viele Menschen beziehen ihr Selbstbewusstsein allein durch Erfolg und Anerkennung von außen. Das endet oft in einer Überforderung. Was verhilft zu mehr Gelassenheit? Krämer: Dass uns das Urteil unserer Umgebung wichtig ist, ist an sich nicht zu kritisieren. Schwierig wird es, wenn wir falsche und überzogene sowie nicht erfüllbare Maßstäbe für uns übernehmen und dann darunter leiden. Jeder muss sich fragen: „Was kann ich?“und „Wo sind meine Grenzen?“. Dieser Findungsprozess führt zu mehr Selbstakzeptanz. Einer Person, die eine überzogene Selbstsicht hat und sich selbst stets in den Vordergrund rückt, muss man natürlich nicht noch empfehlen, sie solle sich stärker um sich selbst kümmern. Menschen mit einem geringen Selbstwertgefühl sollten aber lernen, weniger der Spielball der Erwartungen anderer zu sein.
Wie kann man lernen, freundlicher mit sich selbst umzugehen, mehr Gefallen an sich selbst zu finden? Krämer: In der Psychologie gibt es das Modell der sogenannten inneren Treiber. Diese inneren Treiber machen sich bemerkbar mit Appellen wie „sei perfekt“, „beeil dich“oder „sei anderen gefällig“. Diese Antreiber haben auch eine positive Funktion. Doch nicht selten kann ein Mensch den Ansprüchen dieser inneren Antreiber nicht genügen und rutscht in einen Leidensdruck hinein. Um sich von diesen inneren Antreibern in gesunder Form zu distanzieren, braucht es oft Hilfe von außen. Man schafft es kaum, sich an den eigenen Haaren aus dem Sumpf zu ziehen. Gemeinsam kann man überlegen, ob Ziele realistisch sind und welche in Konflikt zueinanderstehen. Manchmal muss jemand gewarnt werden, wenn er dauerhaft etwas anstrebt, was nicht in seinen Möglichkeiten liegt und er sich durch eine solche falsche Motivation selbst schädigt.
Was bedeutet Selbstakzeptanz? Krämer: Wenn man sich selbst besser annehmen kann, wird man auch mit anderen Menschen besser auskommen. Je klarer ich mir über meine eigene Person mit ihren Stärken und Schwächen bin, desto authentischer kann ich auch gegenüber anderen auftreten. Wichtig für die innere Balance ist soziale Kompetenz. Schafft man es, die eigenen Ziele mit denen anderer in einer positiven Weise überein zu bringen? Kann man auch mal Nein sagen, wenn Überforderung droht? Letztlich geht es darum, mit seinen inneren Antreibern klarzukommen, um ausgeglichener und zufriedener zu werden.
Interview: Stephan Cezanne, epd