Schnee wirbelt das Leben durcheinander
Winter Sturm „Jonas“überzieht die USA mit einer meterdicken Schneedecke. In den Metropolen fahren die Leute Ski und Bob. Anderswo sterben mindestens 18 Menschen
Washington Wintersturm „Jonas“war als Monsterkatastrophe für 15 Bundesstaaten und mehr als 85 Millionen Menschen angekündigt. Am stärksten betroffen sollte die Hauptstadt Washington sein, aber auch New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio warnte vor einem der schlimmsten Schneestürme in der Geschichte von New York City.
In Washington schloss die Regierung deshalb schon am Freitagmittag alle Büros; das U-Bahn-System stellte erstmals in seiner Geschichte den Verkehr ein. Auch in New York setzten Teile des öffentlichen Nahverkehrs aus. Die Stadt erließ außerdem für ihre Straßen ein Fahrverbot, worauf auch der Broadway den Showbetrieb aufgab. „Das Beste, was man tun kann, ist, daheim zu bleiben“, erklärte de Blasio. Neben der Hauptstadt erklärten elf Bun- desstaaten vorsorglich den Notstand, überall entlang der Küste kam es zu Hamsterkäufen. „Snowzilla“, wie der Sturm in sozialen Medien schnell genannt wurde, nahm sich allerdings Zeit: In Washington schneite es zunächst nur spärlich. Als die Pracht schließlich fiel, gab sich der angekündigte Wind vergleichsweise zahm. „Das ist eine Menge Schnee“, erklärte Immobilienmakler Damon Downing, der am Samstag durch einen halben Meter Zuckerwatte stapfte, um bei Freunden Hühnersuppe und Videos zu genießen. Mehrere Begleiter des Mittfünfzigers meinten: „Ein Jahrhundertsturm ist das nicht.“Angesichts der zahlreichen Schlittenfahrer am Kapitol und Partygänger, die bis tief in die Nacht durch die Schneewehen tollten, kam keine Apokalypse-Stimmung auf. Selbst in den Vororten, wo bis zu sechs Millionen Menschen Stromausfälle fürchteten, blieben die Leitungen fast überall heil. Auch andere Metropolen wie Baltimore und Philadelphia kamen glimpflich davon.
Anderswo wütete „Jonas“umso mehr: In den Bundesstaaten New Jersey, South Carolina und North Carolina waren 200000 Menschen vorübergehend ohne Elektrizität; aus Delaware, Maryland, Virginia und New Jersey wurden Überschwemmungen gemeldet. Medienberichten zufolge kamen mindestens 18 Menschen ums Leben. Drei sollen beim Schneeschippen einem Herzinfarkt erlegen sein; die meisten starben bei Autounfällen. In Kentucky, West Virginia und Pennsylvania saßen Hunderte stundenlang in ihren Wagen fest.
Gestern nutzten Einsatzkräfte eine Beruhigung der Wetterlage, um Straßen zu räumen, schrittweise wurden die Fahrverbote aufgehoben. Da die Verkehrseinschränkun- gen auf ein Wochenende fielen, taten sie vielen kaum weh. Am Sonntag bot ein strahlend blauer Himmel Gelegenheit, die weiße Pracht zu genießen und erste Ausgrabungen zu unternehmen.
Mit knapp 70 Zentimetern im New Yorker Central Park erreichte der Schneefall in Manhattan der New York Times zufolge die zweithöchste Marke der Stadtgeschichte; aus den Bundesstaaten West Virginia und Maryland wurden vereinzelt sogar Werte von mehr als einem Meter gemeldet. Die Räumarbeiten dürften Tage dauern. Aber auch damit gehen die meisten Städte pragmatisch um. Washington etwa hat Abkommen mit Parkgaragen, die an bevorzugt behandelten Ausfallstrecken liegen. Für einen Dollar pro Tag dürfen Anwohner ihr Auto vor extremen Schneefällen dort einstellen. Ist die Straße dann geräumt, können sie als Erste los.