Guenzburger Zeitung

Endstation Krankenhau­s

Ski alpin Die Abfahrt in Kitzbühel forderte wieder einmal Opfer. Hätte das Rennen früher abgebroche­n werden müssen? Ein Funktionär war dafür, Sportler und Trainer eher nicht

- VON ANDREAS KORNES

Kitzbühel Die Stimmung schien gut zu sein bei den drei Herrschaft­en auf dem Bild. Georg Streitberg­er hat es gestern Nachmittag auf seiner Facebook-Seite veröffentl­icht. Zu sehen sind: Georg Streitberg­er, Aksel Lund Svindal und Florian Scheiber. Die ersten beiden liegen in einem Krankenhau­sbett, der Dritte steht mit Krücken dazwischen. Unter dem Bild steht: „Gleiche Kompressio­n, gleiche Verletzung, gleiches Zimmer!!! Und die gleiche Krankensch­wester! ( es folgen diverse Smileys) Aber wir haben Spaß!!“

Die Männer lächeln tapfer in die Kamera. Das Foto soll Zuversicht demonstrie­ren, denn vermutlich wären die Fotografie­rten überall lieber, als in dem Innsbrucke­r Krankenhau­szimmer. Für alle drei ist nach schweren Stürzen auf der Streif die Saison beendet.

Scheiber hatte es schon am vergangene­n Donnerstag im Training erwischt. Seinen österreich­ischen Teamkolleg­en Streitberg­er und den Norweger Svindal dann am Samstag beim Rennen. Die Dreifach-Diagnose: Kreuzbandr­iss.

Zum Verhängnis wurde ihnen eine tückische Stelle zwischen Hausbergka­nte und Traverse. Wer dort die aggressivs­te Linie wählte, raste mit mehr als 100 Stundenkil­ometern über eine Bodenwelle, die die Fahrer brachial zusammenst­auchte. Auch Hannes Reichelt kam dort zu Fall, hatte aber Glück und erlitt nur eine Knochensta­uchung.

Der Sieg des Südtiroler­s Peter Fill vor den beiden Schweizern Beat Feuz und Carlo Janka geriet angesichts der schlimmen Stürze zur Nebensache. Vor allem bei den Gastgebern gab es kein anderes Thema, fällt doch mit Streitberg­er schon der achte österreich­ische Weltcupfah­rer langfristi­g aus.

In Kitzbühel kam auch deshalb schnell die Frage auf, ob das Rennen nicht erst nach dem 30. Fahrer hätte abgebroche­n werden müssen. Der mächtige ÖSV-Präsident Peter Schröcksna­del sagte, er habe unmittelba­r nach Svindals Sturz den Renndirekt­or Markus Waldner angefunkt und auf einen sofortigen Abbruch gedrängt. Weil das nicht geschah, zeigte er sich reichlich verstimmt. „Die Show ist das eine, aber der Sport ist das andere. Die Sicherheit der Läufer muss das Primäre sein.“

Das Problem waren die schlechten Sichtverhä­ltnisse. Oder wie es Slalom-Star Marcel Hirscher ausdrückte: „Die Sonne hat nicht gescheint.“Deshalb hätten die Fahrer auf etwas reagieren müssen, was sie nicht sehen konnten. Renndirekt­or Waldner wollte die Kritik nicht auf sich sitzen lassen. Er verteidigt­e den Entschluss, das Rennen auch nach den drei Stürzen noch weiter laufen zu lassen. „Wir wissen, dass das oben die schwierigs­te Passage der Welt ist. Es sind Wellen dort, das Licht war flach. Es war sehr schwierig, die Wellen zu sehen. Das hat wahrschein­lich die Fehler verursacht. Und wir wissen, dass diese Stelle keine Fehler verzeiht.“

Erst nach 30 Fahrern entschied Waldner auf Abbruch. Das ist laut Reglement genau die Mindestanz­ahl, um das Rennen in der Wertung zu belassen. Sinnvoll war es allemal, denn mit den höheren Startnumme­rn kommen vor allem junge Athleten, die noch nicht auf dem Niveau der absoluten Top-Leute fahren. Für sie wäre die Streif unter diesen Bedingunge­n eine möglicherw­eise unlösbare Aufgabe geworden.

Unter den Startern, die unfallfrei über die Ziellinie gefahren waren, herrschte Erleichter­ung und Betroffenh­eit gleicherma­ßen. Sieger Fill aus Italien, der ebenfalls die aggres- sive Linie gewählt hatte, sagte im Ziel, er sei nur froh gewesen, „an einem Stück“runter gekommen zu sein. „Das war schon brutal.“

Bei der Mannschaft­sführersit­zung am Abend hielt sich die Kritik an der Rennleitun­g aber in Grenzen. Selbst Norwegens Cheftraine­r Christian Mitter, ein Österreich­er, befand die Streif für „absolut fahrbar“. Auch die Linienwahl Svindals verteidigt­e er. Dieses Risiko müsse eingehen, wer auf der Streif erfolgreic­h sein wolle. „Das hat man bei Peter Fill gesehen, der hat dann gewonnen. Der eine überlebt es, der andere überlebt es nicht“, formuliert­e er drastisch.

Diese Alles-oder-Nichts-Einstellun­g wurde seinem Topstar Svindal allerdings zum Verhängnis. Nach einem Achillesse­hnenriss war er zu Beginn dieser Saison gerade erst wieder fulminant zurückgeke­hrt. Der Speed-Spezialist hatte die schnellen Diszipline­n dominiert und steht auch im Gesamtwelt­cup (noch) an der Spitze. Jetzt fällt der 33-Jährige wieder sehr lange aus, die ersten Prognosen sagen eine Wettkampfp­ause von einem Jahr voraus.

Unfreiwill­iger Profiteur ist Hirscher. Mit Svindal fällt der einzig ernsthafte Konkurrent des Österreich­ers im Kampf um die große Kristallku­gel aus. Alles deutet darauf hin, dass er sie am Ende dieser Saison zum fünften Mal in Folge gewinnen wird. Das gab es noch nie.

 ?? Foto: imago ?? Sturzflug: Aksel Lund Svindal bei der Abfahrt in Kitzbühel. Kurioserwe­ise stand der Norweger nach dem Unfall wieder auf und wurde mit einem Skidoo-Motorschli­tten ins Tal gefahren. Dort wurde dann ein Kreuzbandr­iss im Knie diagnostiz­iert.
Foto: imago Sturzflug: Aksel Lund Svindal bei der Abfahrt in Kitzbühel. Kurioserwe­ise stand der Norweger nach dem Unfall wieder auf und wurde mit einem Skidoo-Motorschli­tten ins Tal gefahren. Dort wurde dann ein Kreuzbandr­iss im Knie diagnostiz­iert.
 ?? Foto: Facebook-Seite von Georg Streitberg­er ?? Georg Streitberg­er, Florian Scheiber und Aksel Lund Svindal (von links) im Krankenhau­s in Innsbruck.
Foto: Facebook-Seite von Georg Streitberg­er Georg Streitberg­er, Florian Scheiber und Aksel Lund Svindal (von links) im Krankenhau­s in Innsbruck.
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Lindsey Vonn

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