Still und heimlich werden Positionen geräumt
„Alternative Fakten“, mit denen sich die Regierung von US-Präsident Donald Trump die Wirklichkeit zurechtbiegt, sind eine Spezialität von Trump-Beraterin Kellyanne Conway. Deshalb war es kein Zufall, dass es Conway war, die als inoffizielle Regierungssprecherin die Aufgabe hatte, Trumps Niederlage im Einreisestreit umzudeuten. Im Sender Fox News spielte Conway die Gerichtsentscheidung von San Francisco, mit der Trumps Einreisestopp für Muslime auf Eis gelegt wurde, als unwichtige Zwischenstation herunter. Wenn es um die Substanz der Sache gehe, werde Trump gewinnen, sagte sie voraus.
Einstimmig hatten die drei Berufungsrichter in San Francisco am Donnerstagabend verfügt, dass Trumps Einreiseverbot für Menschen aus Irak, Iran, Jemen, Libyen, Somalia, Sudan und Syrien bis auf Weiteres außer Kraft bleibt. Die Anweisung des Präsidenten, die Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen aus aller Welt von 110000 auf 50000 Menschen im Jahr zu senken, bleibt dagegen bestehen. Dasselbe gilt für die Order an das Außen- und das Heimatschutzministerium, Asylanträge von Nicht-Muslimen bevorzugt zu behandeln. Conway hat zwar recht, wenn sie darauf hinweist, dass es bei dem Richterspruch nicht um die Verfassungsmäßigkeit von Trumps Dekret ging – diese Frage dürfte erst vor dem Verfassungsgericht geklärt werden. Doch bedeutet das Urteil von San Francisco, dass die neue Regierung nach drei Wochen im Amt bei einem ihrer wichtigsten Projekte gescheitert ist. Und nicht nur das: Die Richter wiesen das Kernargument der Regierung zurück, wonach sich die Justiz nicht in die Entscheidung des Präsidenten einzumischen habe. Vor Gericht hatten die Regierungsanwälte nicht einmal versucht, inhaltlich zu argumentieren – deshalb hieß es in dem Urteil, Trumps Mannschaft habe keinen Beweis dafür beigebracht, dass Menschen aus den sieben Länder eine Terrorgefahr darstellten.
Gegner Trumps feierten das Ergebnis als Sieg gegen einen Präsidenten, der in den ersten Wochen seit seiner Vereidigung am 20. Janu- ar versucht hat, die Politik der USA im Bulldozer-Stil umzukrempeln. „3:0“, twitterte Trumps geschlagene Gegenkandidatin, Hillary Clinton. Am Freitag blieb zunächst völlig unklar, wie Trump jetzt reagieren will. Eine Eilentscheidung des Verfassungsgerichts könnte schon kommende Woche fallen. Allerdings herrscht am obersten Gericht unter den derzeit acht Richtern eine Patt-Situation. Dies birgt für Trump das Risiko, dass bei einer Vier-zu-vier-Entscheidung das Urteil aus San Francisco zementiert werden könnte. Aufhebung der Gesundheitsreform Obamacare seines Vorgängers Barack Obama wird inzwischen relativiert. Der Präsident sagte kürzlich in einem Interview, möglicherweise werde das Reformwerk erst 2018 durch ein neues System ersetzt.
Zugleich gerät Trumps Team wegen des Fehlverhaltens einiger seiner wichtigsten Mitglieder unter Druck. Beraterin Conway könnte sich durch öffentliche Werbung für die Modekollektion der TrumpTochter Ivanka strafbar gemacht haben. Sicherheitsberater Michael Flynn soll Russland schon vor Trumps Amtsantritt eine Lockerung der Sanktionen wegen mutmaßlicher Hackerangriffe auf den US-Wahlkampf in Aussicht gestellt haben; das FBI ermittelt. Die Rückschläge bedeuten jedoch nicht, dass sich Trump ändern wird. Wie vom Präsidenten und von Conway angekündigt, wird die Regierung weiter für den Einreisestopp streiten.