Guenzburger Zeitung

Schwäbisch spanischer Genuss

Weinprobe Im Keller von Engelbert Schmid werden bei einem Test wichtige Weichen gestellt. Warum der Mindelzell­er bei der Produktion edler Tropfen derzeit „einen Lauf“hat

- VON PETER BAUER

„Laufa lau“: Nach zwei, drei Versuchen geht ihm diese tiefschwäb­ische Wortkombin­ation ganz gut über die Lippen. Das ist durchaus außergewöh­nlich. Denn Luis Vinicio stammt aus Ecuador. „La mitad del mundo“, „die Mitte der Welt“, wie er manchmal nicht ohne Stolz sagt. Vor vielen Jahren hat er seine Heimat verlassen, um auf spanischen Weingütern zu arbeiten. Auch an diesem Abend schenkt er Wein aus, er lässt es „laufa“, aber nur in ganz kleinen, dosierten Mengen. Spanien ist dabei ganz nah und weit weg gleicherma­ßen. Luis Vinicio ist seit einigen Jahren Helfer von Engelbert Schmid. Der 62-jährige Mindelzell­er ist vielen als Spitzenmus­iker und als Hersteller von weltweit gefragten Hörnern bekannt. Doch auch als Produzent von exzellente­n Weinen hat er sich einen Namen gemacht. Und das Besondere daran ist: Die Trauben wachsen in Nordspanie­n, die Produktion (Ausbau und Abfüllung) findet aber seit einiger Zeit in Kellerräum­en in Mindelzell statt. Luis Vinicio ist in Schmids Weinkeller gewisserma­ßen die „gute Seele“.

An diesem Abend hat Engelbert Schmid zur Weinprobe geladen. Gekommen sind einige enge Verwandte und Freunde. Es wird Kostproben aus 36 Weinfässer­n mit jeweils 225 Litern Fassungsve­rmögen geben. 36 Fässer? Der eine oder andere schluckt, als er diese Zahl hört. Schmid lächelt. Nein, keine große Menge an Wein soll an diesem Abend konsumiert werden. Immer nur ein kleiner Nipper am Glas, der intensive Zauber der schnellen Vergänglic­hkeit auf der Zunge sozusagen. Dann blickt Engelbert Schmid in die Runde und bittet um „die Noten“von 1 bis 10. „Zwischen den Weinen“serviert Luis Wasser und Brot.

Jährlich lädt Schmid einen ausgewählt­en engen Kreis zu diesen besonderen Weinproben ein. Verkostet wird an diesem Abend Wein des Jahrgangs 2015. Welcher Wein wird später in welcher Preisklass­e angeboten? Die Bewertunge­n des Abends sind dafür eine maßgeblich­e Grundlage. Schmid probiert selbst, wird später sein fachmännis­ches Urteil mit den Bewertunge­n seiner Gäste abgleichen. Wie viel Fachwissen sich der Mindelzell­er inzwischen angeeignet hat, wird während der immer wieder spürbar. Mit geradezu spielerisc­her Leichtigke­it spricht er über unterschie­dliche Anbaumetho­den, Fassqualit­äten, seine verschiede­nen Rebsorten wie Garnacha Tintorera, Cabernet Sauvignon oder Tempranill­o, Tannine und und und. Luis schenkt den Gästen Wein ein, dabei entwickeln sich immer wieder angeregte schwäbisch-spanische Gespräche. Luis lässt es „laufa“, aber wenig ist sozusagen mehr an diesem Abend. Denn bei einer Weinprobe dieser Art bedarf es bis zum Schluss eines klaren Kopfes. Welches Fass wird als Nächstes probiert? Engelbert Schmid wechselt ins Spanische, als er dies mit Luis bespricht.

Engelbert Schmid und Spanien: Das ist seit 22 Jahren eine ungewöhnli­che Beziehung. Für den Anbau von Wein kauft er im Jahr 1995 ein Grundstück auf der kanarische­n Insel La Palma. In wenigen Monaten lernt er autodidakt­isch die spanische Sprache und er eignet sich ein profundes Wissen über den Weinbau weltweit an. 2010 pachtet er 30 Hektar Land nördlich von Valladolid im Bereich der kastilisch­en Hochebene. Es sei ein ideales Klima für den Weinbau, erklärt Schmid immer wieder. Er setzt auf tiefgründi­ge, hochwertig­e Rotweine, hat aber auch einige Weiß- und Roséweine im Portfolio. Mit sechs Euro Flaschenpr­eis hat er einige durchaus relativ günstige Weine im Angebot, im Spitzensek­tor findet sich etwa der Angelayo 2012 für 79 Euro.

In Spanien nennen sie Engelbert Schmid Don Angel (angel = Engel). So nennt Schmid auch seine Weine. Mehrfach wurden sie ausgezeich­net. 2016 konnte er seinen bislang größten Erfolg feiern. Einer seiner 2014er-Spitzenwei­ne wurde beim größten Wein-Wettbewerb der Welt, der Austrian Wine CompetitiW­einprobe on (AWC) in Wien, als bester Tempranill­o aller eingereich­ten Weine ausgezeich­net. Und Schmid ließ dabei rund 400 spanische Konkurrent­en hinter sich. Man könnte es wohl auch so umschreibe­n: Es ist das Gefühl, Real Madrid oder Barcelona in deren Stadion zu schlagen.

Rund 15000 Flaschen jährlich produziert Schmid. Das ist im Vergleich zu den Großen der Branche eine sehr kleine Menge. Der Weinmarkt ist hart umkämpft. Schmid, der seine Weine selbst vermarktet, spricht immer wieder von den Schwierigk­eiten, sich dort zu etablieren. Doch Schmid ist es inzwischen gelungen, auch in Ländern wie Großbritan­nien oder Russland Kunden zu gewinnen. Sein Grundstück in La Palma hat er inzwischen verkauft, er plant, auf dem spanischen Festland weiteren Grund für den Anbau zu erwerben. „Und 2015 ist ein guter Jahrgang“, sagt er, als sein Helfer Luis den Gästen wieder eine neue Kostprobe serviert. Der 2015er-Wein ist sozusagen preisverdä­chtig. „Laufa lau“– man könnte diesen schwäbisch­en Ausdruck mit Blick auf Schmids Weinprojek­t auch etwas abwandeln. Er hat sozusagen „einen Lauf“.

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Bei der Weinprobe im Mindelzell­er Weinkeller von Engelbert Schmid (Foto rechts) wird edler Tropfen in kleine Probierglä­ser ausgeschen­kt.
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Fotos: Peter Bauer
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Luis Vinicio aus Ecuador zieht mit einer großen Pipette Wein aus einem Fass.

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