Guenzburger Zeitung

Das Café Nied macht zu

Handwerk Roman Goldbach, Konditor in vierter Generation, schließt Ende März seinen Traditions­betrieb in Leipheim. Warum nicht nur er Probleme hat, einen Nachfolger zu finden

- VON HEIKE SCHREIBER

Leipheim Bald werden sie aus den Auslagen verschwind­en: Die knusprigen Apfeltasch­en und süßen Liebeslock­en, von vielen Kunden als die „besten der Welt“gelobt, und die kunstvolle­n Torten. Am 26. März öffnet das Café Nied in der Leipheimer Marktstraß­e zum letzten Mal für die Kunden. Roman Goldbach, der die Konditorei in vierter Generation betrieben hat, geht in Ruhestand. Einen Nachfolger hat er nicht gefunden. Eine Entwicklun­g, die dem gesamten Handwerksz­weig zusetzt.

Nach der Konditorei Wachter in Günzburg, die Ende 2015 geschlosse­n hat, fällt mit dem Café Nied ein weiterer Traditions­betrieb weg. Seit Mitte des 19. Jahrhunder­ts war das ehemalige Stadtschre­iberhaus in der Marktstraß­e fest in der Hand von Konditoren gewesen. 1911 hatte Roman Goldbachs Urgroßmutt­er das Geschäft übernommen. Die süße Aufgabe, Torten und andere Köstlichke­iten zu zaubern, hat sich über Generation­en erhalten. Seit 1995 steht Roman Goldbach in der Backstube. Fast täglich, vor allem aber am Wochenende sind er und seine Frau Jutta bis zu 16 Stunden am Stück im Einsatz. Er backt, sie bedient. Dutzende verschiede­ne Kuchen hat er sonntags im Angebot. Pralinen, Torten für Jubiläen oder Geburtstag­e, auf Bestellung angefertig­t, kommen noch hinzu. Einmal musste er zudem 160 Liebeslock­en backen, ein Rekord für die Ewigkeit.

70 Stunden Arbeitszei­t in der Woche sind da keine Seltenheit, erzählt der Konditor. Angestellt­e hat er keine, er und seine Frau betreiben das Café als Familienbe­trieb. Große Sprünge habe er nicht machen können, „reich wird man davon nicht“. Schließlic­h stelle er Luxusartik­el her, die sich die Kunden im Gegensatz zum täglichen Brot nicht ständig leisten. Über mangelnde Kundschaft konnten sich die Goldbachs dennoch nicht beklagen, die meisten seien Stammkunde­n, die die Qualität seiner Ware zu schätzen wissen.

Auch Leipheims Bürgermeis­ter Christian Konrad geht hier ein und aus. Dass das Café in Kürze schließt, bedauert er sehr. Hier habe man bedenkenlo­s alles mit „großem Genuss“essen können. „Es ist nicht nur für Leipheim ein Verlust“, findet Konrad. „Wieder geht ein echter Konditor für die ganze Region verloren.“Roman Goldbach selbst hätte gerne auch eine andere Lösung gehabt, „der Kundschaft zuliebe“. Die lasse er nur ungern hängen. Mit einem Nachfolger in der Hinterhand hätte er ruhigen Gewissens in Rente gehen können.

Doch seit einem halben Jahr sucht der 60-Jährige – ohne Erfolg. Niemand sei bereit, das Café zu übernehmen und zusätzlich das historisch­e Gebäude zu kaufen. Dabei hätte er seinem Nachfolger nicht nur seine Rezepte überlassen, sondern ihm auch noch Tricks und Spezialkni­ffe beigebrach­t. Stattdesse­n wird er Rezepte, Geräte und Maschinen jetzt interessie­rten Kollegen am Ort überlassen.

Zum Weitermach­en lassen sich die Goldbachs auf keinen Fall überreden, nach 45 Jahren soll endgültig Schluss sein. Das Paar will die Region verlassen. „Wir hoffen, dass wir jetzt tun können, auf was wir in all den Jahren verzichtet haben“, sagt Roman Goldbach und spricht von einem großen „Nachholbed­arf“.

Die Goldbachs sind bei weitem nicht die einzigen, die erfolglos um Nachwuchs gekämpft haben. Ulrike Ufken, Geschäftsf­ührerin der Bäckerinnu­ng Günzburg-Krumbach, bezeichnet die Lage bei Bäckern und Konditoren als „katastroph­al“. Zum einen sorgten Discounter und Supermärkt­e mit ihren Backautoma­ten für immer stärkere Konkurrenz. Zum anderen sei das Handwerk so aufwendig und zeitintens­iv, dass sich Jugendlich­e oft gegen einen solchen Beruf entschiede­n.

Obermeiste­r Günther Weindl, der selbst eine Bäckerei in Großkötz hat, weiß nur zu gut, welche Vorurteile mit seinem Beruf verbunden sind: Die meisten sehen nur, dass jeder Tag sehr früh beginne und der Lohn eher schlecht ausfalle. Dass Bäcker oder Konditoren aber unglaublic­h kreativ und flexibel arbeiten könnten, würde kaum einer bemerken.

Weindl macht aber noch ein ganz anderes gesellscha­ftlichtes Problem für das Sterben seiner Branche verantwort­lich: „Das Bewusstsei­n bei den Menschen hat sich geändert. Viele Leute sparen an Grundsache­n.“Dabei habe Qualität nun mal ihren Preis.

Als Konditor in der Region könnte man derzeit durchaus in eine Marktlücke stoßen. Im gesamten Landkreis gibt es laut einer Statistik der Handwerksk­ammer Schwaben nur noch neun Konditoren. Vor zehn Jahren waren es noch 13.

 ?? Foto: Bernhard Weizenegge­r ?? Bald stellen sie keine selbst gebackenen Torten und Pralinen mehr her: Jutta und Roman Goldbach schließen am 26. März das Café Nied in Leipheim. Sie haben den Tradi tionsbetri­eb seit 1995 geführt. Einen Nachfolger gibt es nicht.
Foto: Bernhard Weizenegge­r Bald stellen sie keine selbst gebackenen Torten und Pralinen mehr her: Jutta und Roman Goldbach schließen am 26. März das Café Nied in Leipheim. Sie haben den Tradi tionsbetri­eb seit 1995 geführt. Einen Nachfolger gibt es nicht.

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