Oberbürgermeister aus U Haft entlassen
Justiz Joachim Wolbergs ist unter Auflagen auf freiem Fuß. Derweil kommen weitere Details in der Regensburger Korruptionsaffäre ans Licht. Steckt ein jahrzehntelanges System dahinter?
Nach knapp sechs Wochen in Untersuchungshaft darf der Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) das Gefängnis verlassen. Das Landgericht Regensburg hat den Haftbefehl gegen den SPD-Politiker unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Der dringende Tatverdacht besteht aber weiter. Das Gericht verhängt gegen Wolbergs mehrere Kontaktverbote und betont: Hält sich Wolbergs nicht an die Auflagen, geht es zurück hinter Gitter.
Stand zu Beginn der Affäre allein die Regensburger SPD mit OB Wolbergs im Mittelpunkt, scheint nach monatelangen Ermittlungen klar zu sein: Nicht nur die Sozialdemokraten stecken tief im Sumpf um kostbaren Baugrund, illegale Spenden und Vergünstigungen. „Es sind Vorgänge über viele Jahre mit vielen Beteiligten“, sagt Oberstaatsanwalt Theo Ziegler. Neben dem suspendierten Oberbürgermeister Wolbergs kamen ein Geschäftsführer einer Bauträgergesellschaft und dessen ehemaliger Mitarbeiter Mitte Januar in Untersuchungshaft. Ermittelt wird gegen weitere Baulöwen, den ehemaligen Vorsitzenden der Regensburger SPD-Stadtratsfraktion, Norbert Hartl, und gegen den Amtsvorgänger Wolbergs, Hans Schaidinger (CSU). Wie Wolbergs soll auch er von dem Bauunternehmer bestochen worden sein, für ein Entgegenkommen um die Vergabe des Grundstücks der früheren Regensburger Nibelungenkaserne. „Ich befürchte, dass dahinter ein jahrzehntelanges, eingespieltes System steckt“, sagt der neue Vorsitzende der Regensburger SPD-Stadtratsfraktion, Klaus Rappert. Er möchte eine kriminelle Übergabe der Amtsgeschäfte nicht mehr ausschließen.
Seit Jahren floriert Regensburg. Der Arbeitsmarkt boomt, die Einwohnerzahl steigt. Damit werden Wohnungen knapp und teuer. Die wenigen Baugrundstücke werden heiß gehandelt. Diese Parameter könnten der Nährboden für die Affäre gewesen sein, die sich wie ein Krimi aus Mafiakreisen liest. Es wird von einem angeblichen Geheimtreffen der Beschuldigten bei einem Anwalt berichtet, um einen Zeugen zu beeinflussen. Offiziell hatte die Staatsanwaltschaft die Haftbefehle gegen Wolbergs, den Baumagnaten und dessen früheren Mitarbeiter damit begründet, „dass die drei Beschuldigten in unlauterer Weise bereits massiv auf Zeugen eingewirkt haben und ohne den Vollzug der Untersuchungshaft weiterhin tun würden“. Die jetzt verhängten Kontaktverbote erhärten den Verdacht auf Einflussnahme. Die Ermittlungen sind aber so weit fortgeschritten, dass eine Verdunklungsgefahr nicht mehr besteht.
Die Staatsanwaltschaft beleuchtet auch einen Millionenkredit an den Bauriesen mit Vorzugskonditionen. Die Ermittler untersuchen, ob sich Wolbergs als Vorsitzender des Kreditund Personalausschusses der Regensburger Sparkasse für den Kredit eingesetzt hatte. Pikanterweise war der Bauträger damals selbst Mitglied des Verwaltungsrates der Sparkasse. Und auch der Fußballverein SSV Jahn Regensburg gerät in den Sumpf. Der Drittligist soll nach einer finanziellen Schieflage von den Unterstützungen des inhaftierten Baulöwen abhängig gewesen sein – Gegenleistungen seien nicht auszuschließen. Wolbergs, Schaidinger und auch der Anwalt, bei dem das angebliche Geheimtreffen stattfand, waren in führenden Positionen des Vereins.
Noch in der ersten Jahreshälfte will die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen abschließen. Dann wird entschieden, ob Anklage erhoben wird. André Janke, dpa