Nordirland ist jetzt Frauensache
Hintergrund Nach der Parlamentswahl kommt es auf Michelle O’Neill und Arlene Foster an. Die Frage ist: Können die beiden miteinander?
Die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft in Nordirland ruht jetzt auf zwei Frauen. Die eine, Michelle O’Neill, steht seit Januar an der Spitze der irisch-nationalistischen Partei Sinn Féin. Die andere, Arlene Foster, leitet die pro-britische, protestantische Partei DUP (Democratic Unionist Party). Die beiden Frauen, zwei politische Gegenpole, sollen sich nun auf die neue Regierung einigen. Und das wird schwierig – denn Foster war schon Regierungschefin, bis ihr Vize, SinnFéin-Mitglied Martin McGuinness, wegen eines Streits mit ihr zurücktrat. Und die Neue an der Spitze der Nationalisten, O’Neill, hatte vor den Wahlen schon mal angekündigt, dass sie nicht mit Foster zusammenarbeiten will.
Die beiden Frauen stehen fast beispielhaft für die nordirische, durch den Religionskonflikt geprägte Gesellschaft. O’Neills Vater setzte sich als Aktivist für ein vereinigtes Irland ein, ihr Cousin wurde 1991 von einer britischen Spezialeinheit erschossen. Beide Männer kämpften für die paramilitärische Irische Republikanische Armee (IRA), die die Briten aus Nordirland vertreiben wollte. O’Neill will die republikanischen Anstrengungen ihrer Familie mit politischen Mitteln fortführen, ihre Partei Sinn Féin arbeitet nach wie vor auf ein vereinigtes Irland hin. Die Protestantin Foster dagegen musste als Kind einen versuchten IRA–Anschlag auf ihren Vater, einen Polizisten, miterleben. Später saß sie in einem Schulbus, der Ziel eines Bombenanschlags wurde – weil der Fahrer Mitglied der Britischen Armee war.
Mit dem Karfreitagsabkommen von 1998 verpflichteten sich die protestantischen und die katholischen Politiker dazu, zusammenzuarbeiten und die Macht zu teilen.
Mit den Neuwahlen setzten die Wähler ein Statement: Die pro-britische DUP bleibt zwar stärkste Kraft, verlor aber zehn Sitze im Belfaster Parlament. Fosters Partei hat somit nur noch ein Mandat Vorsprung zu Sinn Féin. O’Neill reizt jetzt den Zwang zur Koalition aus. Ihrer republikanischen Agenda folgend machte sie unter anderem zur Auflage, dass die Irische Sprache zweite Amtssprache wird – für die DUP ist das unvorstellbar.
In den nächsten drei Wochen kommt es also darauf an, welche der Frauen den Machtkampf gewinnt. Gibt keine von ihnen nach, verlieren alle – denn dann kann das nordirische Parlament per Verordnung aufgelöst werden und die britische Regierung in London übernimmt.
Gerade für die brexit-kritischen Nationalisten wäre das eine Katastrophe. Die drohende feste Grenze durch die Insel gepaart mit der Machtübernahme der Briten würde sie weit bei ihrem Kampf für ein vereinigtes Irland zurückwerfen.