Kreiskliniken werden zum Notfall
Die Krankenhäuser stehen vor einem Rekord-Defizit. Dafür gibt es handfeste Gründe
Günzburg/Krumbach Morgens um 8 ist die Welt nicht immer in Ordnung. Um diese Uhrzeit trafen sich am Freitag die Mitglieder des Verwaltungsrates der beiden Kreiskliniken in Günzburg. Nach zweieinviertel Stunden war den Verwaltungsräten klar, was auf die Kommunalunternehmen in Günzburg (240 Betten) und Krumbach (180 Betten) zukommen wird: ein noch nie da gewesenes Defizit, das sich für 2017 auf ungefähr vier Millionen Euro belaufen dürfte. Die Etatlücke könnte zwar noch mit einer Entnahme aus den Rücklagen ausgeglichen werden. „Aber das geht nicht mehr lange gut“, sagt Klinikvorstand Dr. Volker Rehbein. Landrat Hubert Hafner (CSU) deutete im Gespräch mit unserer Zeitung an, dass der Landkreis notfalls auch bereit sein werde, die roten Zahlen jedenfalls zum Teil auszugleichen. Über Details müsse noch gesprochen werden.
In Krumbach hatte sich in dieser Woche bereits der Arbeitskreis schwäbischer Krankenhausdirektoren zu einer Arbeitstagung getroffen. Und die etwa 20 Teilnehmer stellten im Austausch fest: Die Situation ist in den kommunalen Häusern der Grundversorgung überall „ähnlich schlimm. Die Stimmung war entsprechend aufgeladen“, berichtet Rehbein.
Im Juli werden es zehn Jahre, dass der Facharzt für Anästhesie, der zugleich auch Betriebswirt für Krankenhausund Sozialmanagement und Lehrbeauftragter an der Universität Stuttgart-Hohenheim ist, den Vorstandsposten übernommen hat. „Zwei oder drei Mal sind wir in diesem Zeitraum in die Miesen gerutscht, aber nie so“, sagt er.
Die Rücklagen, mit denen bereits das Defizit des vergangenen Jahres (circa 1,7 Millionen Euro) ausgeglichen worden ist, werden nach den Angaben des Klinikchefs nicht mehr lange reichen. „Unsere Möglichkei- ten sind weitgehend ausgereizt“, lautet sein Fazit.
Vor allem die ambulante Versorgung macht den Kreiskliniken zu schaffen, Günzburg noch mehr als Krumbach, weil sich dort mehr Menschen in die Notaufnahme begeben. Rehbein spricht allein in Günzburg von 12 000 Notfallpatienten im Jahr, die ambulant behandelt werden und das Krankenhaus danach wieder verlassen. „Wir haben jedes Jahr eine Steigerung von etwa 20 Prozent.“Vor allem hier falle das Minus an. Die Entgelte reichten nicht aus. Nur durch eine Querfinanzierung sei es in der Vergangenheit gelungen, insgesamt positiv abzuschließen. „Hätten wir nur den stationären Bereich, hätten wir 2016 eine schwarze Null erreicht“, sagt der Klinikmanager.
Aus vielerlei Gründen suchen die Menschen die Notaufnahme auf, obwohl sie es gar nicht müssten. Das kann Bequemlichkeit sein, die Erreichbarkeit rund um die Uhr und eine Versorgungstiefe, die ein Hausarzt unter Umständen nicht bieten kann. Aber die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen haben durchgesetzt, dass ab dem 1. April für einen Notfallpatienten nur noch die Hälfte der bisherigen Erstattung bezahlt wird – 15 bis 20 Euro sind das. So soll vermieden werden, dass zu viele Leute die Notaufnahmen aufsuchen, obwohl sie dort eigentlich zur Behandlung gar nicht hingehören. Eine Lenkungswirkung dürfte das freilich nicht haben, denn die Versicherten bemerken diese Abrechnungsmodalitäten ja nicht. Aber die Kliniken werden so noch größere rote Zahlen schreiben. Eine sogenannte Triage-Pauschale in Höhe von 4,71 Euro soll bezahlt werden, wenn in der Notaufnahme aussortiert wird und Menschen, die besser in die Praxis eines niedergelassenen Arztes gehören, dorthin geschickt werden.
Rehbein nennt das ein „Patienten-Pingpong, das wir nicht mitmachen werden. In der Notaufnahme werden Menschen nach der Schwere ihrer Verletzung behandelt. Da kann es schon sein, dass jemand zwei oder drei Stunden warten muss. Und dann wollen sie ihm nach einer kurzen Untersuchung sagen, dass er hier nicht behandelt wird und er nach Hause gehen soll? Dann können sie den Security-Mann gleich nebenhin stellen.“
Tariferhöhungen und eine neue Entgeltordnung lassen die Gehälter um 2,5 Prozent und mehr steigen. Vom Bund gibt es aber nur 1,16 Prozent mehr. Die Differenz wird letztlich vor Ort beglichen.
Investitionen erstattet der Freistaat nur dem Papier nach zu 100 Prozent. Gefördert werden beispielsweise aber nur bestimmte Quadratmeterzahlen, die mit den Erfordernissen einer modernen Medizin nicht mehr Schritt hielten, so Rehbein. Dies bedeutet im Endeffekt: Der Eigenanteil liegt zwischen 25 und 30 Prozent.
Dass auch Geld ausgegeben werden muss, um zeitgemäß arbeiten zu können, sieht man derzeit in Günzburg. Der Umzug in den ZentralOP mit vier Sälen ist am Wochenende abgeschlossen. Ab Montag sind alle Säle für Operationen verfügbar. Ein künftiges Thema sind auch Magnetresonanztomographen, die es an den Kreiskliniken nicht gibt.
Eine Botschaft ist aber sowohl dem Klinikchef wie auch Landrat Hafner wichtig: Die rund 1000 Mitarbeiter an beiden Standorten müssen um ihre Jobs nicht fürchten. „Es ist nicht geplant, Stellen abzubauen“, sagen der Arzt und der Politiker.