Wenn der Gelbe Engel zum Schlichter wird
Was habe ich geschimpft, als ich da so stand. Spätabends. Mutterseelenalleine. Im eisigen Wind. An der dreispurigen Autobahn kurz vor Ulm. Das erste Mal, als mein Auto mir stotternd und mit einer beeindruckenden Lichtershow sämtlicher Warnlampen erklärte, dass es in wenigen Sekunden seinen Geist aufgeben wird. Das zweite Mal, als ich das Warndreieck aufstellte und dieses windige Ding aus Plastik und Blech mir die Zusammenarbeit verwehrte und kräftig meinen Finger einzwickte. Und das dritte Mal, als mir die freundliche Dame an der Pannenhotline meines Autoherstellers mitteilte, dass ich leider eine Stunde lang ausharren müsse, bis ein Abschleppdienst mir Gesellschaft leisten könne.
Schimpftirade Nummer vier verkniff ich mir murrend, als nach einer Stunde immer noch kein Pannenfahrzeug zu sehen war und mir nun ein freundlicher Herr an der Pannenhotline versprach, dass es bald so weit sein müsse.
Dafür brach Nummer fünf aus mir heraus, als selbiger Herr nach eineinhalb Stunden kleinlaut einräumte, dass sich wohl ein Fehler ins System eingeschlichen habe und mein Hilferuf zwischenzeitlich versehentlich storniert worden war. Ihm tue das fürchterlich leid, er werde sich sofort darum kümmern, dass mir schnellstmöglich Hilfe zuteilwerde.
Nach zwei Stunden nahte endlich am finsteren Horizont ein gelbes Auto mit zwei gelben Lichtern auf dem Dach. Durchgefroren, hungrig und reichlich verärgert wollte ich gerade das halbe Dutzend vollmachen, ein Klagelied anstimmen und über die aus meiner Perspektive offensichtliche Unfähigkeit der Hotline-Angestellten losledern, als mir der bärtige Pannenhelfer mit einem Schlag sämtlichen Wind aus den Segeln nahm. Mit einer Seelenruhe wünschte er mir erst mal einen schönen Abend, hievte mein arbeitsverweigerndes Auto auf seinen Anhänger, blickte mich verständnisvoll an und lächelte: „Jeder macht doch mal Fehler“, sagte er und fuhr mich direkt vor meine Haustüre, obwohl er von seinem Chef eigentlich andere Anweisungen erhalten hatte.
Ärger Nummer sechs blieb mir im Halse stecken. Er hat ja recht, der Gelbe Engel. Aber so ein bisschen Schimpfen muss doch mal erlaubt sein.