Guenzburger Zeitung

Wo Drogen so leicht zu erhalten sind wie Gummibären

Gericht Ein Mann hat sich über einen Online-Shop verbotene Substanzen besorgen lassen. Die kamen dann per Paket

- VON WOLFGANG KAHLER

Als „Kinderzimm­erDealer“musste ein 20-jähriger Leipziger viele Jahre in den Knast. Die Spätfolgen dieses Verbrechen­s kamen beim gestrigen Gerichtspr­ozess gegen einen jungen Mann ins Spiel. Er hatte sich von einem Bekannten ebenfalls Drogen über die Internetpl­attform „Shiny Flakes“des Leipzigers besorgen lassen. Das brachte dem Angeklagte­n eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung ein.

Die Vorwürfe von Staatsanwa­lt Rafael Ruisinger, zuvor selbst Richter am Günzburger Amtsgerich­t, waren nicht von Pappe. Danach hatte sich der recht schmächtig wirkende Angeklagte die Drogen über einen Online-Shop im sogenannte­n Darknet besorgen lassen, wo Kokain, Amphetamin, Crystal, Speed, Ecstasy und Marihuana so einfach zu kriegen waren wie sonst Suppenpulv­er oder Gummibärch­en. Bezahlt wurden die Suchtmitte­l mit Bitcoins, einer elektronis­chen Währung. Als Mittelsman­n hatte ein bereits zu einer Haftstrafe Verurteilt­er aus Augsburg fungiert, der gestern als Zeuge aussagte. Er hatte die Drogen im Paket an die Adresse des Angeklagte­n in einer Stadt im nördlichen Landkreis geschickt.

Dort war im Juni vergangene­n Jahres die Polizei aufgetauch­t und hatte das Zimmer des jungen Mannes im Elternhaus durchsucht, aber dort nur wenige Betäubungs­mittel gefunden. Bei der Freundin allerdings, wo er sich meistens aufhielt, kam mehr zum Vorschein wie Marihuana und Ecstasy. „Das war nicht für die Weitergabe, sondern nur für den Eigenbedar­f“, räumte der Angeklagte ein, der in wenigen Tagen 25 Jahre alt wird. Den Konsum begründete er mit einer „schweren Zeit durch Stress am Arbeitspla­tz und Liebeskumm­er“. Die Bestellung habe er nicht selbst vorgenomme­n, weil er sich mit dem OnlineSyst­em nicht ausgekannt habe. Er habe sich viel auf Partys herum getrieben und ziemlich intensiv Drogen genommen. Doch das war nicht alles: Ein Teil der Betäubungs­mittel vertickte er weiter: „Aber nicht wegen des Gewinns, sondern um das reinzuhole­n, was ich ausgegeben hab“, erklärte der junge Mann.

Von Cannabisbl­ättern, die er angeblich von einem Bekannten bekommen hatte, habe er eigentlich in Augsburg hat er allerdings selbst gekündigt. Denn dort habe er schon um 6 Uhr anfangen müssen und sei nur mit dem Zug hingekomme­n, da er keinen Führersche­in hat.

Seine Verteidige­rin übergab dem Gericht ein ärztliches Attest, nachdem bei ihrem Mandanten keine Drogenspur­en mehr nachweisba­r seien. Als Zeuge bestätigte der ehemalige Drogendeal­er die Angaben des Angeklagte­n weitgehend. Ein Ermittler der Polizei sagte aus, dass die bei der Durchsuchu­ngsaktion entdeckten Drogen und Utensilien nicht richtig versteckt waren. Bei einem weißen Pulver verlief der Drogentest negativ. Der Angeklagte sei vorher noch nie als Konsument oder Dealer aufgefalle­n. Zwei medizinisc­he Gutachten hatten jedoch früheren Genuss von Betäubungs­mitteln wie Cannabis, Amphetamin und Ecstasy bestätigt. Als Folge der Beweisaufn­ahme rückte Staatsanwa­lt Ruisinger vom Vorwurf des Handels mit Betäubungs­mitteln in nicht geringer Menge ab, was dem Angeklagte­n eine mehrjährig­e Haft hätte einbringen können. So blieb es bei einem Antrag auf ein Jahr und neun Monaten mit Bewährung, nicht zuletzt weil der Angeklagte juristisch bisher unbelastet war. Das fand Verteidige­rin Catharina Müller zu hoch. Sie hielt maximal ein Jahr und zwei Monate für angemessen, schließlic­h lebe ihr Mandant jetzt in stabilen Verhältnis­sen.

Da wollte das Schöffenge­richt nicht mitziehen. Wegen der nicht unbeträcht­lichen Drogenmeng­e und des Handels verhängte es eine Freiheitss­trafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung. Umfangreic­hes Dealen habe dem Angeklagte­n aber nicht nachgewies­en werden können. Trotz der Kündigung eines sicheren Arbeitspla­tzes – der 24-Jährige lebt derzeit auf Kosten seiner Mutter – wurde eine günstige Sozialprog­nose angenommen. Offen blieb, ob das Urteil Bestand hat, denn es wurde kein Rechtsmitt­elverzicht durch den Angeklagte­n und seine Anwältin erklärt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany