Wo Drogen so leicht zu erhalten sind wie Gummibären
Gericht Ein Mann hat sich über einen Online-Shop verbotene Substanzen besorgen lassen. Die kamen dann per Paket
Als „KinderzimmerDealer“musste ein 20-jähriger Leipziger viele Jahre in den Knast. Die Spätfolgen dieses Verbrechens kamen beim gestrigen Gerichtsprozess gegen einen jungen Mann ins Spiel. Er hatte sich von einem Bekannten ebenfalls Drogen über die Internetplattform „Shiny Flakes“des Leipzigers besorgen lassen. Das brachte dem Angeklagten eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung ein.
Die Vorwürfe von Staatsanwalt Rafael Ruisinger, zuvor selbst Richter am Günzburger Amtsgericht, waren nicht von Pappe. Danach hatte sich der recht schmächtig wirkende Angeklagte die Drogen über einen Online-Shop im sogenannten Darknet besorgen lassen, wo Kokain, Amphetamin, Crystal, Speed, Ecstasy und Marihuana so einfach zu kriegen waren wie sonst Suppenpulver oder Gummibärchen. Bezahlt wurden die Suchtmittel mit Bitcoins, einer elektronischen Währung. Als Mittelsmann hatte ein bereits zu einer Haftstrafe Verurteilter aus Augsburg fungiert, der gestern als Zeuge aussagte. Er hatte die Drogen im Paket an die Adresse des Angeklagten in einer Stadt im nördlichen Landkreis geschickt.
Dort war im Juni vergangenen Jahres die Polizei aufgetaucht und hatte das Zimmer des jungen Mannes im Elternhaus durchsucht, aber dort nur wenige Betäubungsmittel gefunden. Bei der Freundin allerdings, wo er sich meistens aufhielt, kam mehr zum Vorschein wie Marihuana und Ecstasy. „Das war nicht für die Weitergabe, sondern nur für den Eigenbedarf“, räumte der Angeklagte ein, der in wenigen Tagen 25 Jahre alt wird. Den Konsum begründete er mit einer „schweren Zeit durch Stress am Arbeitsplatz und Liebeskummer“. Die Bestellung habe er nicht selbst vorgenommen, weil er sich mit dem OnlineSystem nicht ausgekannt habe. Er habe sich viel auf Partys herum getrieben und ziemlich intensiv Drogen genommen. Doch das war nicht alles: Ein Teil der Betäubungsmittel vertickte er weiter: „Aber nicht wegen des Gewinns, sondern um das reinzuholen, was ich ausgegeben hab“, erklärte der junge Mann.
Von Cannabisblättern, die er angeblich von einem Bekannten bekommen hatte, habe er eigentlich in Augsburg hat er allerdings selbst gekündigt. Denn dort habe er schon um 6 Uhr anfangen müssen und sei nur mit dem Zug hingekommen, da er keinen Führerschein hat.
Seine Verteidigerin übergab dem Gericht ein ärztliches Attest, nachdem bei ihrem Mandanten keine Drogenspuren mehr nachweisbar seien. Als Zeuge bestätigte der ehemalige Drogendealer die Angaben des Angeklagten weitgehend. Ein Ermittler der Polizei sagte aus, dass die bei der Durchsuchungsaktion entdeckten Drogen und Utensilien nicht richtig versteckt waren. Bei einem weißen Pulver verlief der Drogentest negativ. Der Angeklagte sei vorher noch nie als Konsument oder Dealer aufgefallen. Zwei medizinische Gutachten hatten jedoch früheren Genuss von Betäubungsmitteln wie Cannabis, Amphetamin und Ecstasy bestätigt. Als Folge der Beweisaufnahme rückte Staatsanwalt Ruisinger vom Vorwurf des Handels mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge ab, was dem Angeklagten eine mehrjährige Haft hätte einbringen können. So blieb es bei einem Antrag auf ein Jahr und neun Monaten mit Bewährung, nicht zuletzt weil der Angeklagte juristisch bisher unbelastet war. Das fand Verteidigerin Catharina Müller zu hoch. Sie hielt maximal ein Jahr und zwei Monate für angemessen, schließlich lebe ihr Mandant jetzt in stabilen Verhältnissen.
Da wollte das Schöffengericht nicht mitziehen. Wegen der nicht unbeträchtlichen Drogenmenge und des Handels verhängte es eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung. Umfangreiches Dealen habe dem Angeklagten aber nicht nachgewiesen werden können. Trotz der Kündigung eines sicheren Arbeitsplatzes – der 24-Jährige lebt derzeit auf Kosten seiner Mutter – wurde eine günstige Sozialprognose angenommen. Offen blieb, ob das Urteil Bestand hat, denn es wurde kein Rechtsmittelverzicht durch den Angeklagten und seine Anwältin erklärt.