Guenzburger Zeitung

Was ist mit der Störchin passiert?

Das Weibchen ist aus dem Nest verschwund­en

- VON MANUELA BAUER

Das Familiengl­ück schien perfekt: Das Storchenpä­rchen hatte sich auf der St.-AnnaKirche in Dinkelsche­rben niedergela­ssen, seit einer Woche wurde gebrütet. Doch am Karfreitag ist das Weibchen verschwund­en. Horstbetre­uer Thomas Wurschy befürchtet: „Vermutlich ist etwas Ernstes passiert.“Ohne Grund würde ein Storch sein Gelege nicht im Stich lassen – auch nicht das Männchen, sagt Oda Wieding, Storchenex­pertin vom Landesbund für Vogelschut­z (LBV): „Es muss einen massiven Eingriff gegeben haben.“Denn sobald sich die Vögel gepaart haben – und erst recht, wenn sie brüten – kehrten sie stets zum Nest zurück. Für Wieding ist klar: „Freiwillig hat sie es bestimmt nicht verlassen.“

Manchmal komme es zwar vor, dass sich ein Storch bei starkem Sturm zum Beispiel einen Flügel prellt und sich einen Tag lang schonen muss; „aber dann kommt er wieder zurück“, sagt Wieding. In Dinkelsche­rben ist das Weibchen seit Freitag weg. Die Eier sind ausgekühlt, es werden keine Küken mehr daraus schlüpfen. Der Mann allein kann sich nicht um den Nachwuchs kümmern. „Er hält es zwar eine Zeit lang ohne Fressen aus, aber dann muss er sich entscheide­n: er oder die Eier“, sagt Wieding. „Meist siegt der Hunger.“Und bei der derzeitige­n Kälte sterbe das Ei nach einer Stunde ohne Wärme ab.

Weil das Tier noch nicht gefunden wurde, können die Experten noch nichts Genaues sagen. Oda Wieding nennt mehrere Theorien, was passiert sein könnte. Erstens: ein Stromschla­g. Es kommt immer wieder vor, dass Vögel eine Leitung übersehen oder an Strommaste­n verenden, obwohl diese eigentlich gesichert sein müssten. Zweitens: Gift. Immer wieder sterben Störche, weil sie vergiftete Mäuse gefressen haben. Das Gift können die Nager in der Kanalisati­on oder auf einer Mülldeponi­e aufnehmen – oder auch in Gärten und auf Feldern, wenn sie damit gezielt bekämpft werden. Drittens: ein Fressfeind. Möglich, wenn auch sehr unwahrsche­inlich, ist, dass ein Hund die Störchin gerissen hat. Thomas Wurschy nennt noch einen weiteren möglichen Grund: den extremen Gasgeruch am Tag des Verschwind­ens (siehe »Seite 26). Ein Zusammenha­ng könne aber „weder bestätigt noch dementiert werden“.

Das vermisste Storchenwe­ibchen könnte leicht identifizi­ert werden, erklärt Wurschy: Es trägt am rechten Bein einen Ring mit der Kennung HES SE 294. Die Beringung erhielt sie 2008 als Jungvogel im Nest in der Schweiz. Einen Vorteil hat es aber, dass die Frau und nicht der Mann verschwund­en ist, erklärt Wieding: Das verwaiste Männchen könnte ein neues Weibchen erobern und eine neue Brut beginnen. Wenn dagegen eine Störchin schon Eier abgelegt hat, dann wird sie es in diesem Jahr nicht mehr tun, auch wenn sie einen neuen Partner hat.

Und wie verkraften die Störche in den anderen Nestern die Kälte? Laut Storchenka­rte des LBV sind im Landkreis Augsburg alle Horste außer die in Fischach und Westendorf besetzt. Schlimm würde es erst bei nächtelang­em Frost werden.

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Foto: Thomas Wurschy Das Storchenwe­ibchen aus Dinkelsche­r ben ist verschwund­en. Thomas Wurschy hat es kürzlich noch fotografie­rt (auf dem Bild rechts).

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