Klanglandschaften mit nordischer Seele
Konzert Günzburger Frauenchor lässt skandinavische Komponisten sakralen Zauber entfalten
Das schemenhafte Leuchten, der gespenstische Lichtzauber bizarrer Polarlichter – dessen waren sich die Bewohner arktischer Gefilde sicher – künde von nahendem Unheil. Der Evangelischen Christuskirche Burgau – dessen waren sich die Besucher sicher – nahte sich solches nicht. Trotz vielfältiger Nordlichter. Solchen allerdings der komponierenden Art. Die auf ihre Weise auch leuchten. Die sängerisch aus dem Chor Corda Vocale strahlten, instrumental aus einem Streicherensemble der Niederbayerischen Kammerphilharmonie und der Sopranistin Ingrid Fraunholz. Nordlichter, die weitgehend ihren Stil musikalischer Eigenheit pflegen, einen musikalisch-polaren Sonnenwind im Rhythmus volksliedhaft geprägter Natur und chorisch zeitgenössische Sakralmusik.
Namen wie Per Gunnar Petersson, Meret Kuhlmann, Jon Asgeirsson oder Atli Heimir Sveinsson lassen auf Unbekanntes aus skandinavischer Feder schließen und – vielfach weilen sie noch unter den Lebenden – schließen Entdeckung wach zu küssender Meisterwerke so gut wie aus. Allesamt treten sie also nicht in der Liga Massenbeglücker an, wie Norwegens Edelgestirn Edvard Grieg, in dessen ruhmreichem Windschatten sie so ein bisschen mitsegelten.
Wer hätte es gedacht: Der finnische Musikhero Jean Sibelius, Schöpfer des Nationalepos’ „Finlandia“, er hat auch für Orgel komponiert. Bevor er ans Pult trat, verbreitete Chorleiter Bernhard Löffler von der Empore herab mit einer klangberauschten Orgel-Intrada ein Gefühl von sakralem Heldenpathos im Kirchenraum. Von gleicher Stelle aus und orgelbegleitet ließ Ingrid Fraunholz sopranistisch gewundene Hallelujamelodik durch Raum und Gemüt perlen, leitete sie arios geschmeichelte Tod- und Verdammnismetaphorik in klangsinnliche Seelenregionen. Natürlich, Edvard Grieg spielte, mit der Populärromantik seiner poesieumwundenen „Peer-Gynt“-Erlösungsphilosophie, die größten Trümpfe aus. Ein fünfköpfiges Streicherensemble schuf, mit heimwehsüchtigem Sound auf den Saiten, den notwendigen Waldeinsamkeit-komm-rausRahmen in der „Morgenstimmung“; und die melodiegespreizten Kümmernisse in „Solveigs Lied“, aber auch, trotz Griegschem Giftstachel gegen die „Pfarrerschaft aller Kriechtiere der Staatskirche“, ein streicherwogendes, licht- und melodiedurchflutetes „Stella Maris“. Man kann es getrost behaupten: Die spezielle Klangsprache skandinavischer Sakralmusik hat, nicht zuletzt durch den Film „Wie im Himmel“, die globale Chorszene maßgeblich beeinflusst und belebt. Auch modernisiert. Auf eine Weise, die traditionelle Kirchenmusik auf zeitgemäße Tonalität einstellt, ohne ernsthaft wehzutun.
Löffler und sein mehrfach preisgekrönter Frauenchor vermittelten die dänisch, schwedisch, norwegisch und finnisch geprägten tonalen Pastoralquellen als das, was sie sind: Sakrale Klanglandschaften mit nordischer Seele, gebettet auf facettenreich verinnerlichten Gesangston. Wobei selbst atonal Missgestimmtes zu einem beklemmenden Drive mutiert.
Pastoral schlank und impulsiv deklamiert Peterssons „Missa Brevis“. Lobpreisungsmusik mit Vogelsang, Blumen, Bäumen und dem Wort Gottes als schwedisch bittersüße „Sommerhymne“im Volksliedton. Das „Vater unser“, mal als chorisch weich gespülte Verbundenheitsvision, mal auf streicherischem Wohlklang himmelwärts flehend. Elegant hingehauchte Tongemälde im Liebesklagemodus.
Zum guten Schluss dann noch ein versöhnendes „Laudate Dominum“, ohne zeitgemäß inspirierte Bremsmomente, ganz im herkömmlichen Stil.