Wenn die Schwiegereltern miterben
Familie Kinderlose Ehepaare sollten immer ein Testament machen. Denn stirbt ein Partner, ist sonst Teilen mit der Verwandtschaft angesagt. Das ist vor allem bitter, wenn ein Haus da ist
Eigentlich ist an alles gedacht: Die Hochzeit läuft wie am Schnürchen. Der Umzug in das neu erworbene Eigenheim ebenso. Das frisch verheiratete Paar hat sogar die Versicherungen zusammengelegt und die Steuerklassen optimiert. Nur das Testament, das ist auf später verschoben, wenn mal Kinder da sind. Beide gehen davon aus, dass der andere sowieso allein erbt, wenn einer von ihnen stirbt. „Ein hartnäckiger, fataler Irrglaube“, warnt Paul Grötsch, Fachanwalt für Erbrecht und Geschäftsführer des Deutschen Forums für Erbrecht in München.
Das böse Erwachen ist dann unausweichlich, wie im Fall dieses jungen Paares. Als der Mann ein Jahr später tödlich verunglückt, werden die Schwiegereltern der kinderlosen Witwe zu Miterben. Weil sie auf das Viertel des Erbes pochen, muss die junge Frau am Ende das Haus, Möbel, die Uhrensammlung und den Oldtimer des Verstorbenen verkaufen und sie ausbezahlen. Kein Testament, kein Alleinerbe.
„Kinderlose Ehepaare, ob jung oder alt, sollten dringend ein Testament machen, am besten schon gleich nach der Heirat“, rät Jan Bittler, Erbrechtsanwalt und Geschäftsführer der Deutschen Vereinigung für Erbrecht und Vermögensnachfolge. So unromantisch das Formulieren des letzten Willens klingen mag, so wichtig ist er, wenn die Verwandtschaft nicht miterben soll. Denn: Gibt es kein Testament, in dem sich das Ehepaar oder eingetragene Lebenspartner gegenseitig zu Alleinerben einsetzen, greift die ge- setzliche Erbfolge. Und die besagt: Ist das Paar im Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet oder verpartnert und hat es keinen Nachwuchs, dann erbt der länger Lebende nur zu drei Viertel. Je ein Achtel geht an die Eltern des Verstorbenen. Sind beide bereits tot, erben die Geschwister, Halbgeschwister oder die Großeltern. Zusammen mit dem verwitweten Ehepartner bilden sie dann eine Erbengemeinschaft.
Und damit beginnen in der Regel die Probleme, wie Bittler berichtet. So gut wie alles, was der Verstorbene hatte, gehört dann allen Erben gemeinsam – und muss anteilig aufgeteilt werden. Zwar bleiben wenigstens die zum ehelichen Hausstand gehörenden Sachen wie Mobiliar, Teppiche oder das Porzellan außen vor. Geht es um persönlichen Besitz wie ein Auto, die wertvolle Hi-Fi-Anlage, Musikinstrumente, Erinnerungsfotos, Armbanduhren oder Schmuck, gilt dagegen: Die Schwiegereltern haben Anspruch auf ein Viertel. Die größten Streitigkeiten gibt es meist, wenn Immobilien im Spiel sind, sagt Grötsch. Will die Witwe im gemeinsamen Heim bleiben, könnten die Schwiegereltern, der Bruder oder die Schwester Miete von ihr verlangen. Sie sind ja Miteigentümer geworden. Oder sie wollen ausbezahlt werden. Dann muss die Witwe häufig verkaufen. Kann sich die Erbengemeinschaft nicht einigen, kommt es zur Zwangsversteigerung.
„Manchmal wird selbst um persönliche Dinge wie das Rasierset des verstorbenen Sohnes gestritten“, sagt Erbrechtsspezialist Bittler. Gibt es Vermögen auf gemeinsamen Konten oder in Aktiendepots, muss die Witwe auch das teilen. War der Verstorbene der Hauptverdiener in der Ehe, wird es oft noch komplizierter, weil die Eltern des Mannes dann argumentieren könnten, er habe die Wertpapiere angeschafft oder das Geld nahezu allein verdient. Lediglich die Hochzeitsgeschenke darf die Witwe für sich behalten. War das Paar in Gütertrennung verheiratet, sieht es für den verwitweten Partner noch schlechter aus. Er erbt dann nur die Hälfte. Der Rest geht an die Verwandtschaft.
„Die Vorstellung, dass der Ehepartner alles erbt, ist schlicht eine Mär. Das gilt auch für Paare mit Kindern“, gibt Erbrechtsspezialist Grötsch zu bedenken. Eheleute, die sich für Unglücksfälle absichern und familiäre Konflikte vermeiden wollen, können Folgendes tun: handschriftlich ein sogenanntes „Berliner Testament“aufsetzen, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen. Die gesetzliche Erbfolge ist damit ausgehebelt. Eltern, Schwager und Schwägerin sind enterbt. Als „Berliner Testament“bezeichnet man das gemeinschaftliche Testament von Ehepartnern.
Wer will, kann außerdem vorsorglich im Testament verfügen, dass die noch ungeborenen gemeinsamen Kinder die Schlusserben werden. Möglich ist auch, Neffen, Nichten, Freunde oder eine wohltätige Organisation als Erben einzusetzen. Bringt der Partner Stiefkinder mit in die Ehe, ist Vorsorge besonders ratsam. Sie haben beim Tod von Stiefvater oder Stiefmutter kein gesetzliches Erbrecht. Sollen die „angeheirateten“Kinder erben, muss das im Testament explizit festgeschrieben sein.
Ein Muss ist das gemeinsame Testament für Eheleute, die im Ausland leben und arbeiten. Stirbt ein Partner außerhalb Deutschlands, ist seit 2015 für den gesamten Nachlass die Rechtsordnung des Landes zuständig, in dem sich der Verstorbene zum Zeitpunkt des Todes ständig aufhielt. „Wer also beruflich für zwei Jahre nach Singapur geht oder auf Mallorca überwintert, sollte auch ans dortige Erbrecht denken“, erläutert Grötsch. Wer Nachteile umschiffen will, muss im Testament festschreiben, dass das deutsche Erbrecht gelten soll.
Außerdem wichtig: Obwohl ein kinderloses Paar mit seinem Berliner Testament die Eltern de facto enterbt, sind diese immer noch nicht ganz außen vor. Ihnen steht im Todesfall nach wie vor ein Pflichtteil zu. Er beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Stirbt zum Beispiel ein verheirateter Mann ohne Kinder, so kann dessen Mutter ihren Pflichtteil von der Schwiegertochter einfordern. Wer den Pflichtteil umgehen möchte, kann Vater, Mutter oder Geschwistern stattdessen testamentarisch Gegenstände vermachen. Zum Beispiel den wertvollen Jugendstilsekretär, Schmuck, eine Immobilie. „Damit sind viele zufriedengestellt“, weiß Erbrechtsspezialist Grötsch.
„Die Vorstellung, dass der Ehepartner alles erbt, ist schlicht eine Mär.“Erbrechtsspezialist Paul Grötsch