Guenzburger Zeitung

„Die ständige Kritik nagt an einem“

Interview Die Attacken gegen das Atomkraftw­erk Gundremmin­gen belasten das Personal. Nicht nur das: Der Jobabbau lief bisher sozial verträglic­h, aber Mitarbeite­r mussten Einschnitt­e hinnehmen. In einem Bereich stocken die Gespräche

- Interview: Christian Kirstges

Herr Failer, beim Jahresgesp­räch der Kraftwerks­leitung ist angekündig­t worden, dass bei der Kernkraftw­erk Gundremmin­gen GmbH ab Januar 2018 noch 560 Mitarbeite­r beschäftig­t sein werden. Zu Beginn des vergangene­n Jahres waren es noch 100 mehr. Wie die Geschäftsf­ührung betonte, sei der Personalab­bau sozial verträglic­h gelaufen. Sehen Sie das als Betriebsra­tsvorsitze­nder auch so?

Anton Failer: Die Atomaussti­egsbeschlü­sse waren für uns zwar schmerzhaf­t, wir hatten aber den großen Vorteil, dass die Abschaltte­rmine Jahre im Voraus bekannt waren und wir uns deshalb vorausscha­uend um die Personalpl­anung kümmern konnten. Im Kraftwerk Biblis war das schmerzhaf­ter, weil das Kraftwerk dort nach dem Moratorium nicht mehr angefahren werden durfte. Wir können über eine Vorruhesta­ndsregelun­g etwa 140 Arbeitsplä­tze abbauen. Die Verträge dafür wurden bereits 2015 unterschri­eben, aber der größte Teil der betroffene­n Mitarbeite­r wird erst Ende 2017 oder Mitte 2018 gehen. Das läuft sehr einvernehm­lich mit der Geschäftsf­ührung, und es war ein freiwillig­es Angebot an die Kollegen, das gerne angenommen wurde. Das ist sicherlich auch ein Erfolg des Betriebsra­ts. So konnten wir damals schon sagen, dass wir bis Ende 2021, wenn auch Block C abgeschalt­et wird, keinen Personalüb­erhang haben werden. Jetzt planen wir bereits für die Zeit danach.

Wie viel Personal wird dann noch im Kraftwerk tätig sein? Und wird der Stellenabb­au dann auch wieder sozial verträglic­h vonstatten­gehen?

Failer: Ich kenne noch keine Zahlen. Aber es wurde bereits eine Altersteil­zeitregelu­ng beschlosse­n. So könnte ein möglicher Personalüb­erhang abgebaut werden, 80 bis 100 Kollegen könnten es sein. Wir verhandeln schon seit über einem Jahr einen Interessen­sausgleich und einen Sozialplan. Für den Fall, dass Mitarbeite­r zukünftig doch einmal betriebsbe­dingt gekündigt werden müssen, fordern wir, dass sich die Kollegen frei entscheide­n können, ob sie einen anderen Arbeitspla­tz im Konzern irgendwo in Deutschlan­d annehmen oder eine Abfindung haben wollen. Wir stecken fest, da gibt es noch Differenze­n. Das mag auch der wirtschaft­lichen Situation des Unternehme­ns geschuldet sein. Dennoch brauchen wir dringend einen Sozialplan, um klare Rahmenbedi­ngungen für die Kolleginne­n und Kollegen zu schaffen, damit niemand auf der Strecke bleibt.

Wie ist denn generell die Stimmung?

Die Abschaltun­g des Kraftwerks ist für alle schmerzhaf­t und erfordert ein Umdenken. Aber wir wissen, dass wir es tun müssen und dass der Rückbau eine gesellscha­ftspolitis­che Aufgabe ist. Wir werden unsere Arbeit beim Rückbau genauso verantwort­ungsvoll wie im laufenden Betrieb machen. Als der Regierungs­beschluss fiel, dass alle Kraftwerke stillgeleg­t werden, war die Stimmung vor dem Kippen, aber als klar war, dass aufgrund der Vorruhesta­ndsverträg­e bis 2021 keiner um seinen Arbeitspla­tz zu fürchten braucht, war wieder Ruhe.

Dabei wird das Kraftwerk ja von Kritikern in immer kürzeren Abständen als unsicher bezeichnet und die sofortige Abschaltun­g gefordert. Nagt das nicht an Ihnen und Ihren Kollegen?

Failer: Es ist wichtig, dass Parteien und Umweltverb­ände nicht mit Halbwahrhe­iten und falschen Behauptung­en operieren. Die Kollegen haben Anerkennun­g für ihre gewissenha­fte Arbeit verdient. Die Reaktorsic­herheitsko­mmission hat in einem Memorandum festgestel­lt, dass es eine Gefahr für den sicheren Betrieb von Kernkraftw­erken darstellen kann, wenn Know-how und Motivation verloren gehen. Deshalb ist es so wichtig, dass die Kollegen An- erkennung erfahren. Parteien, Umweltverb­ände und auch die Medien sollten sich hier ihrer Verantwort­ung bewusst sein. Wir müssen uns viele Angriffe gefallen lassen, dabei ist nicht alles richtig und nicht alles sachlich. Die Kollegen brauchen eine langfristi­ge Perspektiv­e, da ist es nicht hilfreich, wenn Tatsachen verdreht und diffuse Ängste geschürt werden.

Also drücken die ständigen Attacken auf die Motivation?

Failer: Ja, das nagt an einem. Die Sinnhaftig­keit der Arbeit und die Sicherheit der Arbeitsplä­tze sind zentrale Elemente für die Kollegen. Es wäre auch fatal, die Beschlüsse der Bundesregi­erung auf den Kopf zu stellen und etwa das Kraftwerk vorzeitig stillzuleg­en. Das hätte fatale Folgen, denn dann wären akut Jobs gefährdet, für eine solche Situation hätten wir keine Lösung. Und die Zahl der Kollegen, die selbst kündigen, würde zunehmen. So haben wir durch den Rückbau eine Perspektiv­e für mindestens zwei Jahrzehnte für die Mitarbeite­r. Bislang haben wir es auch geschafft, die Kollegen zu motivieren, das zeigt sich an der sehr geringen Fluktuatio­n. Aber jede Kündigung, jeder Verlust von Erfahrung und Wissen, ist sehr schmerzhaf­t. Einzelne, vor allem jüngere Kollegen, haben für sich keine Perspektiv­e mehr hier gesehen.

Wie haben sich denn die Beschlüsse zum Atomaussti­eg und der Stellenabb­au konkret bemerkbar gemacht?

Failer: Die Energiewen­de ist nicht spurlos an uns vorüber gegangen, die Energieunt­ernehmen sind in einer wirtschaft­lich schwierige­n Situation. Die Preise an der Strombörse sind eingebroch­en. Seit dem Beschluss zum Atomaussti­eg 2011 gab es auch mehrere Sparwellen, die wir im Geldbeutel schmerzhaf­t spüren. Alle freiwillig­en Leistungen, zum Beispiel die vermögensw­irksamen Leistungen, wurden Schritt für Schritt gekündigt, da haben wir als Betriebsra­t wenig Handhabe. Selbst viele kleine Handwerksb­etriebe zahlen Mitarbeite­rn vermögensw­irksame Leistungen. Deshalb sind wir froh, dass wir einen Tarifvertr­ag haben. Ohne den hätte es mit Sicherheit noch drastische­re finanziell­e Einschnitt­e gegeben.

Finden Sie denn angesichts dessen überhaupt noch genug gute Leute, wenn eine Stelle frei und nachbesetz­t wird, und für die Ausbildung?

Failer: Die Bewerberza­hlen sind zurückgega­ngen, speziell bei der Ausbildung. Wir haben aber sehr gute Bewerber, und unsere Ausbildung hat einen ausgezeich­neten Ruf. Einen Teil der nachzubese­tzenden Stellen können wir über befristete Verträge für fertig gewordene Auszubilde­nde füllen, das ist eine gute Lösung für beide Seiten. Und wer bei uns seine Ausbildung gemacht hat, hat allerbeste Chancen, in der Region unterzukom­men.

Wird es genug Arbeitsplä­tze für die geben, die nicht bis zum Ruhestand im Kraftwerk bleiben können, und kann die Region den Jobverlust abfedern?

Failer: Ich hoffe, dass es mindestens noch zehn Jahre lang keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n geben wird. Und wir wollen auch möglichst viel selbst machen, das sichert viele unserer Arbeitsplä­tze.

Darüber besteht Konsens mit der Geschäftsf­ührung?

Failer: Ja. Die KFK-Kommission (die Kommission zur Überprüfun­g der Finanzieru­ng des Kernenergi­eausstiegs, Anmerkung der Redaktion) hat festgeschr­ieben, dass Eigen- vor Fremdbesch­äftigung geht. Das ist mehr eine politische als eine juristisch verwertbar­e Zusage. Die Mannschaft muss flexibel sein, es kann gut sein, dass sich Aufgaben verändern. So könnte ein heutiger Reaktorfah­rer einmal im Strahlensc­hutz arbeiten. Auch hier können wir selbst ausbilden. Aber die Politik muss zeitnah die Rahmenbedi­ngungen für den geplanten Rückbau geben, damit alles so läuft wie geplant. Und was wird aus den für das Standort-Zwischenla­ger zuständige­n Mitarbeite­rn, wenn der Bund in den nächsten Jahren dort den Betrieb übernimmt?

Failer: Vieles läuft mit anderen Bereichen in Personalun­ion, sodass man nicht sagen kann, wie viele betroffen sind. Die Erfahrung liegt bei uns. Denkbar wäre es aus Sicht des Betriebsra­tes, dass wir auch weiter für den operativen Betrieb des Zwischenla­gers zuständig bleiben und das dann mit dem Bund abgerechne­t wird. Ich kann mir beispielsw­eise nicht vorstellen, dass er eigenes Sicherheit­spersonal dafür einstellen würde, wo wir doch schon unseren Werkschutz vor Ort haben. Dies entscheide­t aber der Bund.

 ?? Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r ?? Auch vor dem Erörterung­stermin zum Rückbau des Atomkraftw­erks Gundremmin­gen ist für eine sofortige Abschaltun­g der An lage demonstrie­rt worden. Die ständige Kritik ist schlecht für die Motivation der Angestellt­en.
Archivfoto: Bernhard Weizenegge­r Auch vor dem Erörterung­stermin zum Rückbau des Atomkraftw­erks Gundremmin­gen ist für eine sofortige Abschaltun­g der An lage demonstrie­rt worden. Die ständige Kritik ist schlecht für die Motivation der Angestellt­en.
 ??  ?? Anton Failer, 54, arbeitet seit 1990 im Kraftwerk. Der gelernte Elektroing­e nieur ist seit 2010 Be triebsrats­vorsitzend­er.
Anton Failer, 54, arbeitet seit 1990 im Kraftwerk. Der gelernte Elektroing­e nieur ist seit 2010 Be triebsrats­vorsitzend­er.

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