Ohne Personal schließt das Lokal
Gastronomie Wirte klagen: Fachkräfte fehlen und zuverlässige Aushilfen sind nur schwer zu finden. Die Gäste bekommen bereits erste Konsequenzen der schwierigen Lage zu spüren
Für den Muttertag hat Inge Blum mitgezählt: Sage und schreibe 300 potenziellen Gästen hat sie am Telefon für den vorvergangenen Sonntag absagen müssen. Sie wollten in der „Alten Roggenschenke“in Roggenburg reservieren, aber die Inhaberin und ihr Team waren schon ausgelastet und hätten den zusätzlichen Ansturm nicht bewältigen können. Ähnliche Situation am vergangenen Mittwochabend: 50 Absagen. „Wir haben den Biergarten nur halb aufgestuhlt“, erzählt Blum. Ihr Problem: Es fehlt das Personal, um mehr zu leisten.
Fünf Stellen hat die Alte Roggenschenke derzeit zu vergeben: für die Küche, für die Theke und für den Service. Ein Schild am Eingang weist darauf hin. „Doch wir finden niemanden“, sagt Blum. Das hat Folgen für den Betrieb, den auch die Gäste zu spüren bekommen. Inzwischen hat das Lokal zwei Ruhetage pro Woche und der Biergarten kann nicht in vollem Umfang betrieben werden. Auch Christian Fischer, Chef des nahegelegenen Klostergasthofs, sagt: „An starken Tagen müssen wir die Öffnungszeiten einschränken. Den Biergarten können wir dann erst nachmittags aufmachen.“Und das gerade jetzt, wo die Freiluftsaison erst begonnen hat. Auf die ausgeschriebene Stelle als Koch, erzählt Fischer, sei bislang keine einzige Bewerbung eingegangen. „Das ist ein Alarmsignal.“
In der ganzen Region kämpfen Gastronomen mit dem Personalmangel. Kerstin Veser, Betreiberin des Café und Bistro „Endstation“am Weißenhorner Bahnhof, öffnet an Sonntagen nicht mehr. Weil sie selbst auch einmal Zeit für ihre Familie haben will, sagt sie. Stefanie Ihle vom „Waldvogel“in Leipheim kann nach eigenen Angaben nur mit Müh und Not vernünftige Dienstpläne erstellen, weil zuverlässige und langfristige Aushilfskräfte fehlen. Viele wollen nur für ein paar Monate bei ihr tätig werden. Doch Ihle sagt: „Bis ein Mitarbeiter sich auskennt, dauert es minimum ein halbes Jahr.“Ein weiteres Beispiel aus Altenstadt: Siegfried Brüderl, Betreiber des Hotel Restaurant Bürgerstuben mit angeschlossenem Catering-Service, möchte gerne im September einen Azubi anstellen. „Momentan sieht es schlecht aus.“
Die Wirte haben alle ähnliche Erfahrungen gemacht: Demnach ist Fachpersonal nicht zu bekommen, der Markt ist leer gefegt. Viele aus- gebildete Kräfte zieht es in die Industrie, wo die Löhne höher und die Arbeitszeiten geregelter sind. Wie die Restaurantchefs berichten, haben Aushilfskräfte oftmals überzogene Gehaltsvorstellung und wollen nur zu bestimmten Zeiten arbeiten. Zudem gebe es auf dem Land nicht so viele Studenten wie etwa in Ulm.
Darüber hinaus fühlen sich die Gastronomen durch die bestehenden gesetzlichen Regelungen eingeschränkt. Die tägliche Höchstarbeitszeit von regelmäßig acht und im Ausnahmefall maximal zehn Stunden sei nicht mehr zeitgemäß. Wenn die Hochzeitsgäste feiern und der Biergarten bei schönem Wetter bis in den späten Abend voll ist, müssen die Chefs ihre Mitarbeiter nach Hause schicken. „Was ist die Alternative, wenn wir keine weiteren Mitarbeiter finden?“, fragt Fischer. Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga setzt sich seit Jahren für eine Flexibilisierung des Arbeitszeitgesetzes ein. Durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit, argumentiert der Verband, könnten die Zeiten flexibel verteilt werden, ohne dass sich die Gesamtarbeitszeit verlängert. In anderen Branchen wie in der Medizin oder in der Luftfahrt, werde das bereits angewandt.
Aus Sicht der Wirte in der Region liegen die Ursachen des Personalmangels aber noch viel tiefer: „Die Praktiker fehlen“, sagt Stefanie Ihle. Christian Fischer ergänzt: „Alle wollen studieren. In den nächsten Jahren werden wir in allen Handwerksberufen kaum mehr Leute haben.“Zudem wissen alle Gastronomen, dass die Arbeit in ihrem Gewerbe häufig keinen guten Ruf genießt: geringer Verdienst, miese Arbeitszeiten. Inge Blum und ihre Kollegen widersprechen vehement. Schon an den Schulen müsse das Image der Branche verbessert werden, sagt Blum. Siegfried Bühler aus Altenstadt berichtet: „Wir schauen, dass es unseren drei festangestellten Köchen gut geht. Wir haben einen Schichtdienst, so haben sie jedes zweite Wochenende frei.“Aus seiner Sicht ist auch die Ausbildung an vielen Berufsschulen rückständig. .
Können Flüchtlinge helfen, die Lücken zu schließen? In Roggenburg fehlen da die Erfahrungen. Stefanie Ihle hat in Leipheim schon drei Asylbewerber beschäftigt: Einer sei seit einem Dreivierteljahr krank, erzählt sie. Der zweite sei von einer großen Firma abgeworben worden. Aber der dritte, ein Afghane, sei tüchtig und mache nun eine Ausbildung zum Koch.