Der ärmste Wurm im Fußballgeschäft
Die Annahme, der Schiedsrichter sei der ärmste Wurm im Fußballgeschäft, ist falsch. Dem Unparteiischen stehen einige Sanktionsformen zur Verfügung, sollte er sich ungerecht behandelt fühlen. Vorlaute Spieler kann er mithilfe einer Gelben Karte meist zum Schweigen bringen. Bei gröberen Verbalinjurien weist er den Akteur mit einer Roten Karte den Weg in die Kabine. Nimmt ein Schiedsrichter zu oft die Pfeife im falschen Moment in den Mund, muss er nicht mit der Entlassung rechnen, sondern im schlimmsten Fall mit dem Abstieg in eine untere Klasse.
Viel schlimmer dran sind die Trainer. Ausgeklügelte taktische Pläne versanden in der Unfähigkeit der Spieler. Setzen die dann doch mal die Vorgaben des Coaches um, wird nicht etwa der Mann an der Seitenlinie gefeiert, sondern Torwart, Stürmer und Co. Hört der Trainer nicht gerade auf den Namen José Mourinho, ist es ihm meist egal, dass er nicht für die Erfolge gefeiert wird. Weniger gleichgültig reagiert er allerdings, wenn er das Gefühl hat, unfair behandelt zu werden. Zum Wesen des Trainers gehört es, sich bei jeder Niederlage ungerecht behandelt zu fühlen. Meistens vom Schiedsrichter. Weil die Coaches mittlerweile gelernt haben, dass es sich auf die Ausübung ihrer Tätigkeit eher negativ auswirkt, den Unparteiischen im persönlichen Gespräch auf seine hundsgemeine Leistung anzusprechen, haben sie sich ein anderes Opfer gesucht: den Fernsehreporter. Wie nun Thorsten Fink. Bei einer Niederlage der von ihm trainierten Wiener Austria gegen Salzburg sah er sich bei einem Tor vom Schiedsrichter benachteiligt. Zur Deeskalation der Situation trug nicht bei, dass Reporter Rainer Pariasek auch noch Partei für den Referee ergriff. Finks Zorn richtete sich nun gegen den ORF-Mann. Weil der im Winter vom alpinen Rennzirkus berichtet, musste er sich erst die Frage gefallen lassen, was er denn bei einem Fußballspiel mache und ob die Skisaison denn schon vorbei sei. Später zeigte sich Fink nur vordergründig besänftigt, als er sagte: „Ich bin Ihnen auch nicht böse.“Schließlich sei es ja nicht schlimm, keine Ahnung zu haben.
Der Reporter blieb ruhig. Auch in Österreich ist die Saison nun bald vorbei. Die Aussicht auf ein paar freie Wochen wirkt beruhigend. Nach der Sommerpause wird Pariasek wieder an der Seitenlinie stehen und Trainer befragen. Möglicherweise auch Fink. Wer ihn anpöbelt, ist aber auch nebensächlich. Er hat die Gewissheit, sich auch noch dann beschimpfen zu lassen, wenn die meisten Übungsleiter schon wieder auf Jobsuche sind.