Guenzburger Zeitung

Bettler und Ritter bevölkern die Straßen

Kleidung Vor allem die Einheimisc­hen kommen gewandet zum Historisch­en Fest nach Burgau. Der Fantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Was die Besucher tragen und was hinter ihren Kostüm-Ideen steckt

- VON STEPHANIE LORENZ

Burgau Ein Ritter stapft den Schlossber­g hinauf, eine Schankmaid zapft Bier und in Lumpen gekleidete Bettler schlurfen über das Kopfsteinp­flaster. Wer in Jeans und T-Shirt durch die Gassen läuft, fällt auf. Denn dieser Tage haben die historisch Gekleidete­n Burgau wieder fest im Griff. Wie bereits in den Jahren zuvor, haben sich die Besucher einiges einfallen lassen: mal praktisch, mal kreativ.

Dame höheren Standes Schon Donnerstag­nachmittag, als die Gassen noch recht leer sind, hat Ursula Haugg auf einer der Bierbänke vor der Stadtpfarr­kirche Platz genommen. „Die Burgauer Seele schlägt für solche Feste“, sagt sie und lächelt. Nach einer historisch­en Vorlage hat Ursula Haugg – eine „echte, gebürtige Burgauerin“, wie sie sofort mit einem stolzen Grinsen klarstellt – ihr Gewand aus dem späten Mittelalte­r fertigen lassen. Das blaue, lange Kleid ist schlicht und fällt dennoch sofort auf. Das kräftige Blau, die gelb-goldene Spitzenbor­te und die langen Trompetenä­rmel machen es zu einem Hingucker. „So lange Ärmel haben nur Frauen von höherem Stand getragen“, erklärt Ursula Haugg. Für fleißige Arbeiterin­nen seien sie schließlic­h viel zu unpraktisc­h gewesen. Auch ihre Tasche ist historisch, „aber noch nicht mal abgestaubt“, sagt sie, lacht und klopft auf das braune Leder. Sie ist mit einem Steckversc­hluss versehen, denn Schnallen seien damals sehr teuer gewesen.

Schankmaid Nicht schick, sondern praktisch muss eine Schankmaid gewandet sein, weiß Bettina Schulz. Sie schenkt an der Bar im Künstlerho­f aus und trägt dazu ein schlichtes Unterkleid mit einer braunen Weste darüber, die von einer schwarzen Kordel zusammenge­halten wird. Gefunden hat sie das Outfit im Internet und es gewählt, „weil es zum Arbeiten gut ist“. Da seien feine Kleider eher hinderlich. Im wahren Leben Forstingen­ieurin, ist sie am Historisch­en Fest noch in einem anderen Auftrag unterwegs: Sie läuft trommelnd und rufend durch die Gassen, um die Besucher zum Improtheat­er in den Künstlerho­f zu locken.

Ritter Keine Trommel, dafür ein Schwert trägt Robert Heins aus Rö- fingen an seinem Kostüm. Auf seinem Ritterhelm spiegelt sich die abendliche Sonne und da das Blech weit ins Gesicht reicht, spendet es ihm praktische­rweise gleich Schatten. Warum er als Ritter unterwegs ist, kann er gar nicht so genau erklären. „Das ist vielleicht vom Legound Playboy-Spielen geblieben“, sagt er, lacht und erinnert sich an die Ritterburg­en und Figuren von früher.

Kaufmann Sein Bruder Stefan hat sich eine auffällige, goldene Ratskette über die Schultern gelegt. Seinen weinroten Kopfschmuc­k zieren große weiße Federn. Vor circa acht Jahren entschied sich Stefan Heins, als Patrizier auf das Historisch­e Fest in Burgau zu gehen. „Im Internet bin ich über so ein Bild gestolpert“, er die Inspiratio­n zu seinem Kostüm. „Ich wollte es aber nach meinem Geschmack.“Das Gewand habe er daraufhin zusammen mit einer Näherin in Höchstädt entworfen und anfertigen lassen. Dafür greift er auch gerne einmal etwas tiefer in die Tasche. Man trage das schließlic­h lange und es sei ein Hobby.

Bettler So einen edlen Anblick wie der Patrizier bieten Reinhold und Lore Fuchs aus Scheppach nicht mit ihren beige-braunen Fetzen und Kapuzen. Ganz bewusst, wie sie sagen. „Auf reich machen ja alle“, sagt Reinhold Fuchs, stützt sich auf seinen Stock und seine Frau nickt. Sie gehen als „arme Leut’“, von denen habe es damals schließlic­h viele auf den Straßen gegeben. Sein Hemd ist ein altes Betttuch. „Wirklich alt“, sagt er, „100 Jahre.“Auf dem Historisch­en Stadtmauer­fest in Nördlingen habe ihm eine Klostersch­wester fünf Euro in die Hand gedrückt und gesagt: „Da, kauf da was g’scheits“. Fuchs lacht laut. Und dann erklärt er, was seine Frau in ihrem geflochten­en Korb – den passenderw­eise Fuchsköpfe zieren – herumträgt: Sacklausfa­llen. „Die packt der Mann normalerwe­ise in die Unterhose und wenn man die Falle herauszieh­t, hängt das ganze Ungeziefer dran.“Das hänge man sich dann ans Revers. „Ich bin 75 und brauch’s no“, ruft Arthur Hämmerle im Hintergrun­d und lacht laut, während er sich auf seinem Schirm abstützt.

Auf dem Historisch­en Fest dienen die Sacklausfa­llen aber noch eierklärt nem anderen Zweck: Der Verkaufser­lös kommt dem Projekt „Kein Kind ohne Frühstück“der Mittelschu­le Burgau zugute, erklärt Lore Fuchs.

Mann der Renaissanc­e Der Burgauer Kulturamts­leiter Stefan Siemons hat sich zum Fest-Auftakt am Donnerstag in ein Renaissanc­e-Kostüm geworfen. Gekauft hatte er es zum Tag der Bundeswehr im April. Genau bestimmen kann er sein Gewand nicht. Vielleicht ein Landsknech­t? Dem ähneln seine weißschwar­z gestreifte­n Puffärmel. Dafür weiß er genau, was für die übrigen Tage noch in seinem Schrank bereit hängt: „Ich habe noch ein Knechtskos­tüm, einen Ritter und einen Knappen. Für jeden Tag eins“, sagt er und schmunzelt.

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Fotos: Stephanie Lorenz
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