Bettler und Ritter bevölkern die Straßen
Kleidung Vor allem die Einheimischen kommen gewandet zum Historischen Fest nach Burgau. Der Fantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Was die Besucher tragen und was hinter ihren Kostüm-Ideen steckt
Burgau Ein Ritter stapft den Schlossberg hinauf, eine Schankmaid zapft Bier und in Lumpen gekleidete Bettler schlurfen über das Kopfsteinpflaster. Wer in Jeans und T-Shirt durch die Gassen läuft, fällt auf. Denn dieser Tage haben die historisch Gekleideten Burgau wieder fest im Griff. Wie bereits in den Jahren zuvor, haben sich die Besucher einiges einfallen lassen: mal praktisch, mal kreativ.
Dame höheren Standes Schon Donnerstagnachmittag, als die Gassen noch recht leer sind, hat Ursula Haugg auf einer der Bierbänke vor der Stadtpfarrkirche Platz genommen. „Die Burgauer Seele schlägt für solche Feste“, sagt sie und lächelt. Nach einer historischen Vorlage hat Ursula Haugg – eine „echte, gebürtige Burgauerin“, wie sie sofort mit einem stolzen Grinsen klarstellt – ihr Gewand aus dem späten Mittelalter fertigen lassen. Das blaue, lange Kleid ist schlicht und fällt dennoch sofort auf. Das kräftige Blau, die gelb-goldene Spitzenborte und die langen Trompetenärmel machen es zu einem Hingucker. „So lange Ärmel haben nur Frauen von höherem Stand getragen“, erklärt Ursula Haugg. Für fleißige Arbeiterinnen seien sie schließlich viel zu unpraktisch gewesen. Auch ihre Tasche ist historisch, „aber noch nicht mal abgestaubt“, sagt sie, lacht und klopft auf das braune Leder. Sie ist mit einem Steckverschluss versehen, denn Schnallen seien damals sehr teuer gewesen.
Schankmaid Nicht schick, sondern praktisch muss eine Schankmaid gewandet sein, weiß Bettina Schulz. Sie schenkt an der Bar im Künstlerhof aus und trägt dazu ein schlichtes Unterkleid mit einer braunen Weste darüber, die von einer schwarzen Kordel zusammengehalten wird. Gefunden hat sie das Outfit im Internet und es gewählt, „weil es zum Arbeiten gut ist“. Da seien feine Kleider eher hinderlich. Im wahren Leben Forstingenieurin, ist sie am Historischen Fest noch in einem anderen Auftrag unterwegs: Sie läuft trommelnd und rufend durch die Gassen, um die Besucher zum Improtheater in den Künstlerhof zu locken.
Ritter Keine Trommel, dafür ein Schwert trägt Robert Heins aus Rö- fingen an seinem Kostüm. Auf seinem Ritterhelm spiegelt sich die abendliche Sonne und da das Blech weit ins Gesicht reicht, spendet es ihm praktischerweise gleich Schatten. Warum er als Ritter unterwegs ist, kann er gar nicht so genau erklären. „Das ist vielleicht vom Legound Playboy-Spielen geblieben“, sagt er, lacht und erinnert sich an die Ritterburgen und Figuren von früher.
Kaufmann Sein Bruder Stefan hat sich eine auffällige, goldene Ratskette über die Schultern gelegt. Seinen weinroten Kopfschmuck zieren große weiße Federn. Vor circa acht Jahren entschied sich Stefan Heins, als Patrizier auf das Historische Fest in Burgau zu gehen. „Im Internet bin ich über so ein Bild gestolpert“, er die Inspiration zu seinem Kostüm. „Ich wollte es aber nach meinem Geschmack.“Das Gewand habe er daraufhin zusammen mit einer Näherin in Höchstädt entworfen und anfertigen lassen. Dafür greift er auch gerne einmal etwas tiefer in die Tasche. Man trage das schließlich lange und es sei ein Hobby.
Bettler So einen edlen Anblick wie der Patrizier bieten Reinhold und Lore Fuchs aus Scheppach nicht mit ihren beige-braunen Fetzen und Kapuzen. Ganz bewusst, wie sie sagen. „Auf reich machen ja alle“, sagt Reinhold Fuchs, stützt sich auf seinen Stock und seine Frau nickt. Sie gehen als „arme Leut’“, von denen habe es damals schließlich viele auf den Straßen gegeben. Sein Hemd ist ein altes Betttuch. „Wirklich alt“, sagt er, „100 Jahre.“Auf dem Historischen Stadtmauerfest in Nördlingen habe ihm eine Klosterschwester fünf Euro in die Hand gedrückt und gesagt: „Da, kauf da was g’scheits“. Fuchs lacht laut. Und dann erklärt er, was seine Frau in ihrem geflochtenen Korb – den passenderweise Fuchsköpfe zieren – herumträgt: Sacklausfallen. „Die packt der Mann normalerweise in die Unterhose und wenn man die Falle herauszieht, hängt das ganze Ungeziefer dran.“Das hänge man sich dann ans Revers. „Ich bin 75 und brauch’s no“, ruft Arthur Hämmerle im Hintergrund und lacht laut, während er sich auf seinem Schirm abstützt.
Auf dem Historischen Fest dienen die Sacklausfallen aber noch eierklärt nem anderen Zweck: Der Verkaufserlös kommt dem Projekt „Kein Kind ohne Frühstück“der Mittelschule Burgau zugute, erklärt Lore Fuchs.
Mann der Renaissance Der Burgauer Kulturamtsleiter Stefan Siemons hat sich zum Fest-Auftakt am Donnerstag in ein Renaissance-Kostüm geworfen. Gekauft hatte er es zum Tag der Bundeswehr im April. Genau bestimmen kann er sein Gewand nicht. Vielleicht ein Landsknecht? Dem ähneln seine weißschwarz gestreiften Puffärmel. Dafür weiß er genau, was für die übrigen Tage noch in seinem Schrank bereit hängt: „Ich habe noch ein Knechtskostüm, einen Ritter und einen Knappen. Für jeden Tag eins“, sagt er und schmunzelt.