Auf Tandem Mission gegen Vorurteile
Mut Tour Sie radeln durchs Land, um für einen offenen Umgang mit Depressionen zu werben. Jetzt war Station in Günzburg
Wer kann bei der Tour mitfahren? Esther Tagmann, 45, aus St. Gallen: Wir sind zu sechst mit drei Tandems unterwegs. Die Gruppen setzen sich zusammen aus Betroffenen und nicht Betroffenen. Denn es geht darum, Vorurteile abzubauen. Wir wollen einen offenen Umgang mit der Krankheit. Alex Heißenberg, 42, aus Dresden: Ja, eine Depression ist eine schwere Erkrankung. Es ist wichtig, nicht zu denken, die Leute sind faul.
Depressionserfahrene Menschen wünschen sich einen normalen Umgang. Was ist normal? Alex: Aus Hilflosigkeit Sprüche zu sagen wie „reiß’ dich zusammen“macht alles nur schlimmer. Besser wäre es, einfach zu wissen, dass jemand da ist und zuhört. Esther: Und dranbleiben. Man hat selbst oft nicht mehr die Kraft, jemanden anzurufen. Da ist man dann dankbar, wenn jemand sagt: „Lass uns ein bisschen rausgehen.“Alex: Es hilft auch weiter, das Gefühl zu haben, man wird gebraucht. Esther: Und das trifft nicht nur auf die Tour zu, sondern gilt allgemein.
Die Mut-Tour soll jedoch kein Therapie-Ersatz sein, richtig? Alex: Nein, die Tour soll nicht Selbsthilfe sein. Es kann schwer werden während der Tour, aber wir reden alle offen miteinander. Esther: Depression ist kein Dauerzustand. Deshalb werben wir für den offenen Umgang miteinander. Das würde das Miteinander wesentlich erleichtern. Das wünschen wir uns auch von der Gesellschaft. Wir wollen zeigen, dass wir leistungsfähig sind und nicht nur heulend in der Ecke sitzen.
Auf der Tour hat man kaum Privatsphäre. Ist das für depressive Menschen eine besondere Herausforderung? Alex: Für mich persönlich ist es eine Herausforderung, 24 Stunden mit relativ fremden Menschen zu verbringen. Man hat aber schon die Möglichkeit, sich mal zurückzuziehen. Wir achten sehr aufeinander. Esther: Es ist wichtig, dass die Menschen Selbstachtsamkeit haben. Alex: Jeder soll sich wohlfühlen. Wir sind ein Beispiel im Kleinen, wie es in der Gesellschaft laufen sollte. Wie geht es nach der Tour weiter? Fällt man in ein Loch? Alex: Das wird vorher schon geklärt, dass wir nicht in ein Loch fallen. Man ist ja doch etwas adrenalingeladen hier. Esther: Jeder hat ja auch sein privates und therapeutisches Umfeld. Und man kann danach an weiteren Treffen teilnehmen.
Aus welcher Motivation fahren nicht Betroffene mit? Esther: Manche sind Angehörige von Betroffenen, andere haben einfach Freude am Draußensein oder daran, mit dem Rad zu reisen. Alex: Vielleicht auch wegen der Herausforderung, mit fünf anderen Leuten unterwegs zu sein. Das kann ich jetzt aber nur vermuten, da wir beide ja Betroffene sind.
Mitmachen Gemeinsam etwas erle ben: Für 2018 werden wieder neue Mitfahrer gesucht. Infos zu den Etappen und Mitmach Aktionen gibt es unter mut tour.de/mitmachen