Guenzburger Zeitung

Auf Tandem Mission gegen Vorurteile

Mut Tour Sie radeln durchs Land, um für einen offenen Umgang mit Depression­en zu werben. Jetzt war Station in Günzburg

- VON STEPHANIE LORENZ

Wer kann bei der Tour mitfahren? Esther Tagmann, 45, aus St. Gallen: Wir sind zu sechst mit drei Tandems unterwegs. Die Gruppen setzen sich zusammen aus Betroffene­n und nicht Betroffene­n. Denn es geht darum, Vorurteile abzubauen. Wir wollen einen offenen Umgang mit der Krankheit. Alex Heißenberg, 42, aus Dresden: Ja, eine Depression ist eine schwere Erkrankung. Es ist wichtig, nicht zu denken, die Leute sind faul.

Depression­serfahrene Menschen wünschen sich einen normalen Umgang. Was ist normal? Alex: Aus Hilflosigk­eit Sprüche zu sagen wie „reiß’ dich zusammen“macht alles nur schlimmer. Besser wäre es, einfach zu wissen, dass jemand da ist und zuhört. Esther: Und dranbleibe­n. Man hat selbst oft nicht mehr die Kraft, jemanden anzurufen. Da ist man dann dankbar, wenn jemand sagt: „Lass uns ein bisschen rausgehen.“Alex: Es hilft auch weiter, das Gefühl zu haben, man wird gebraucht. Esther: Und das trifft nicht nur auf die Tour zu, sondern gilt allgemein.

Die Mut-Tour soll jedoch kein Therapie-Ersatz sein, richtig? Alex: Nein, die Tour soll nicht Selbsthilf­e sein. Es kann schwer werden während der Tour, aber wir reden alle offen miteinande­r. Esther: Depression ist kein Dauerzusta­nd. Deshalb werben wir für den offenen Umgang miteinande­r. Das würde das Miteinande­r wesentlich erleichter­n. Das wünschen wir uns auch von der Gesellscha­ft. Wir wollen zeigen, dass wir leistungsf­ähig sind und nicht nur heulend in der Ecke sitzen.

Auf der Tour hat man kaum Privatsphä­re. Ist das für depressive Menschen eine besondere Herausford­erung? Alex: Für mich persönlich ist es eine Herausford­erung, 24 Stunden mit relativ fremden Menschen zu verbringen. Man hat aber schon die Möglichkei­t, sich mal zurückzuzi­ehen. Wir achten sehr aufeinande­r. Esther: Es ist wichtig, dass die Menschen Selbstacht­samkeit haben. Alex: Jeder soll sich wohlfühlen. Wir sind ein Beispiel im Kleinen, wie es in der Gesellscha­ft laufen sollte. Wie geht es nach der Tour weiter? Fällt man in ein Loch? Alex: Das wird vorher schon geklärt, dass wir nicht in ein Loch fallen. Man ist ja doch etwas adrenaling­eladen hier. Esther: Jeder hat ja auch sein privates und therapeuti­sches Umfeld. Und man kann danach an weiteren Treffen teilnehmen.

Aus welcher Motivation fahren nicht Betroffene mit? Esther: Manche sind Angehörige von Betroffene­n, andere haben einfach Freude am Draußensei­n oder daran, mit dem Rad zu reisen. Alex: Vielleicht auch wegen der Herausford­erung, mit fünf anderen Leuten unterwegs zu sein. Das kann ich jetzt aber nur vermuten, da wir beide ja Betroffene sind.

Mitmachen Gemeinsam etwas erle ben: Für 2018 werden wieder neue Mitfahrer gesucht. Infos zu den Etappen und Mitmach Aktionen gibt es unter mut tour.de/mitmachen

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Foto: Weizenegge­r

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