Warnung vor dem Apotheken Sterben
Die meisten Deutschen kaufen ihre Medizin vor Ort. Doch nun kommt der Versandhandel
Düsseldorf Ein Mittel gegen Grippe, vom Arzt verordnete Schilddrüsentabletten: Wer Medikamente braucht, muss nicht unbedingt zur nächsten Apotheke. Sie lassen sich längst im Internet bestellen. Und das oft günstiger. Versandhändler wie DocMorris oder Europa Apotheek drängen mit üppigen Rabatten auf den deutschen Markt. Der ist bisher fest in der Hand der traditionellen Apotheken, zeigen Zahlen des Branchenverbands ABDA. Im gut 34 Milliarden Euro schweren Markt für verschreibungspflichtige Arzneien wurde 2016 nur rund ein Prozent des Umsatzes per Versand erzielt. Bei rezeptfreien Mitteln waren es gut 13 Prozent. Doch die Internet-Apotheken erwarten, dass der umkämpfte Versandmarkt für verschreibungspflichtige Medikamente kräftig wächst.
Verbraucher müssen dabei das Rezept an die Versandapotheke schicken. DocMorris wirbt mit portofreiem Einsenden, Mindestbonus von je 2,50 Euro und kostenlosem Arzneiversand. Die Apotheker, die sich von diesem Mittwoch an beim Deutschen Apothekertag in Düsseldorf treffen, sind alarmiert. Grund ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs von Oktober 2016: Demnach müssen sich ausländische Versandhändler bei rezeptpflichtigen Medikamenten nicht mehr an die Preisbindung halten. Die OnlineApotheken dürfen also nicht nur bei Nasensprays Rabatte gewähren, sondern beispielsweise auch bei starken Schmerztabletten.
Die Apothekerlobby warnt nun vor einem Apothekensterben. Mit 19880 sei deren Zahl auf den niedrigsten Stand seit dem Jahr 1988 gefallen, so die ABDA. Noch sei die flächendeckende Versorgung gewährleistet. „Doch ein Preiswettbewerb mit ausländischen Versandhändlern bei rezeptpflichtigen Medikamenten wird den Abwärtstrend beschleunigen.“Doch wollen die Deutschen überhaupt Medikamente im Netz kaufen?
Die meisten Bundesbürger bleiben ihrer Apotheke treu. Laut einer Forsa-Umfrage hat erst jeder vierte Deutsche schon Medikamente online gekauft. Viele scheuten das Einschicken der Rezepte, sagt Johann Stiessberger, Pharma-Experte der Beratungsgesellschaft BCG. Und selbst bei Erkältungsmitteln gingen die Deutschen lieber zur Apotheke. „Wer krank ist, möchte meist schnell ein Medikament haben.“Auch achteten Verbraucher dann nicht so sehr auf Rabatte. Was vor allem im Netz gekauft werde, seien Nahrungsergänzungsmittel. Allein wegen Versandhändlern würden Apotheken nicht verschwinden, sagt der Berater. „Es besteht kein Grund zur Panik.“
Die Apotheken aber fordern ein generelles Versandverbot für rezeptpflichtige Arzneien, ebenso wie Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU). Bei verordneten Medikamenten dürfe es nicht ums Schnäppchen jagen gehen, sagte er. „Wir brauchen nicht weniger, sondern mehr Beratung.“Da die SPD ein Verbot bisher verhinderte, will die Union das Projekt nach der Bundestagswahl angehen. Die CSU wirbt online schon offensiv um Apotheker, Spendenaufruf inklusive.
Doch Gröhe stößt auf Widerstand der gesetzlichen Krankenkassen, die ein Interesse an günstigen Medikamenten haben. Der Versandhandel sei gerade in strukturschwachen Regionen eine Alternative für Verbraucher, meint der GKV-Spitzenverband. Auch sei der Rückgang der Apotheken nicht dramatisch. In Ballungsgebieten gebe es genug. Verbraucherschützer wehren sich ebenfalls gegen ein Versandverbot. Dies sei angesichts der Digitalisierung „rückwärtsgewandt“.
Platzhirsch DocMorris will nun auf dem Land angreifen, wo manche Dorfapotheken schließen. Etwa mit Automaten, bei denen Mitarbeiter per Video beraten und Arzneien via Knopfdruck freigeben. Ein Gericht verbot zwar jüngst einen Apothekenautomaten im baden-württembergischen Hüffenhardt. Doch DocMorris gibt nicht auf. Man habe Klage gegen das Urteil eingereicht. Er kündigt neue Anläufe für Apothekenautomaten an.
Das Ringen um den deutschen Apothekenmarkt hat erst begonnen.
Muss ein Versandverbot her?