Welt der versunkenen Epochen
Saurierspuren, Fossilien unterm Hammer und ein zerknautschter Urzeit-Strand – die Höhenzüge rund um Osnabrück sind ein Abenteuerspielplatz der Erdgeschichte, vor allem beim Durchradeln auf sogenannten Terratrails
Wir kraxeln durch bewaldete, graue Felsgnubbel, 40 Meter hoch, zerfurcht und verklumpt – die Dörenther Klippen, Folgeschaden eines Urzeit-Auffahrunfalls: „Afrika rammte Europa vor etwa 40 Millionen Jahren, türmte im Süden die Alpen und hier Strände zur Knautschzone auf“, sagt Timo Kluttig. Nanu, Strände bei Osnabrück? „Ja, lange bevor’s Menschen gab, war dies Küste, ihr Sand wurde zu Sandstein gepresst – da, unter der grauen Felskruste rieselt er noch beigebraun hervor!“Wir staunen, und Geologe Kluttig freut’s, weil er die erstarrte Erdgeschichte des Teutoburger Waldes kurz in Bewegung bringt – fast wie im Daumenkino. Der erste Aha-Moment auf den „Terra Trails“– Entdecker-Radtouren, meist entlang versteinerter geologischer Phänomene. Aber ob das immer
● Sehenswert Das Heimathaus Borg holzhausen mit seinem Erdzeitcen ter. Die Attraktion: der Riesenfund Am moniten – 19 versteinerte, schwimmringgroße Schneckengehäuse von Urzeit Tintenfischen (Freistraße 25, www.borgholzhausen.de).
● Wohnen „Gestüt Bischofs Hof“bei Hilter. Die Wurstküche wurde zum Apartmenthaus im Landhausstil, der Kuhstall zur Edel Diele mit Bar. Tel. 05409 90694 09, www.bischofs hof.de, Apartment/F ab 81 Euro. gel‘.“Den Kalkstein vom Acker Nummer eins wiederum zeigt Kluttig um die Ecke in einem MiniSteinbruch. „Hier konnte man ihn in Blöcken herausholen, gerade so, wie die Leute ihn zum Bauen brauchten. Deshalb stehen bis heute hier viele Wohnhäuser, Ställe und Scheunen aus Kalkstein.“Weiter geht’s ins nördlich von Osnabrück gelegene Wiehengebirge, über das Spötter schon mal sagen, es heiße so, weil’s nur so aussähe „wie ’n Gebirge“. Von wegen - plötzlich lugt ein täuschend echter Dino aus Baumwipfeln bei Barkhausen. Der Wegweiser zu Saurierspuren: Auf mindestens Schuhgröße 67 schätzen wir die Abdrücke im steil aufragenden Fels. Konnten die Echsen Wände hochlaufen? „Wohl nicht“, lacht Timo Kluttig, „genau hier im Wiehengebirge bekam die Erdkruste eine Falte, ihre Schichten wurden bei der Kontinente-Kollision hochgeklappt.“Der Geologe zeigt, dass wir bei den Saurierspuren mittendrin stehen in dieser Falte. Zu beiden Seiten driftet das Gestein weg, liegt schräg in der Landschaft, als habe ein Riese irgendwo darunter seinen Dosenöffner angesetzt.
Aber wo ist eigentlich das Urmeer geblieben, an dem hier einst die Strände lagen? Versickert? Abgeflossen? „Nein, immer noch da – 800 Meter unter uns“, sagt Wilhelm Grönemeyer im nahen Bad Essen. Der Cousin von Rocksänger Herbert sprudelt wie die Solequelle des Kurortes. Er hat sie gepachtet und daraus eine pfiffige Geschäftsidee mit Erdgeschichts-Touch gezaubert: Urmeer-Salz. Also Jahrmillionen alt. Also unverfälscht rein, ohne dass da jemals auch nur ein Tropfen Grundwasser reingelaufen ist. Das hat Wilhelm Grönemeyer sich per Gutachten bestätigen lassen. Demnach hat eine gesättigte WasserSalzlösung maximal 27 Prozent Salzgehalt. Bad Essens Solequelle aber bringt es auf 31,8 Prozent. Besonders hoher Salzgehalt, besonders intensiver Geschmack – das muss sich doch vermarkten lassen, dachte Wilhelm Grönemeyer. Als gelernter Betriebswirt versteht er was vom Geschäft, als langjähriger Werbekunstmaler für japanische Katzenfutterdosen und Kandinsky-Kopierer für Ikea-Bilder hat er genügend Kreativität. Und mixt die UrmeerSole mit Whisky, Limette oder Rum zu flüssigem Urmeer-Salz – einer hoch konzentrierten, pfiffigen Würze aus Sprayflaschen. Der Clou: das aufgesprühte Salz schmeckt nicht nur pikant anders, sondern entzieht Gemüse und Fleisch auch weniger Feuchtigkeit als die Würze aus dem Streuer.