„Am 28., 24 Uhr, isch over“
Wolfgang Schäuble ist bekannt für seine Sprüche, in denen sich der Dialekt seiner badischen Heimat mit dem Englischen mischt. Jetzt zieht sich der Politiker von der europäischen Bühne zurück
Luxemburg Wehmut ist keine Eigenschaft der für ihre Nüchternheit bekannten Finanzminister. Und so beließen es die Kassenwarte der Eurogruppe am Montag bei ihrem Treffen in Luxemburg denn auch bei ein paar anerkennenden Worten für den Mann, der acht Jahre lang den Kreis der inzwischen 19 Minister geprägt hat wie kein anderer: Wolfgang Schäuble, der am 24. Oktober zum Bundestagspräsidenten gewählt wird, nahm gestern seinen Abschied von der europäischen Finanzpolitik.
Selbst sein griechischer Kollege Euklid Tsakalotos dankte dem CDU-Mann aus Berlin, mit dem er so manches Gefecht hinter sich gebracht hatte. „Er war ein Großer“, sagte sein Amtsbruder. Tatsächlich sind viele Momente unvergessen, wenn der deutsche Finanzminister mit der ihm eigenen Mischung aus Badisch und Englisch seine harte Linie im Streit um die Sanierung des Athener Finanzdebakels kommentierte: „Am 28., 24 Uhr, isch over“, bekräftigte er im Februar 2015 gegen den umstrittenen damaligen griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis, dass das laufende Hilfsprogramm wie geplant beendet werden würde.
„We agree to disagree“, lautet ein anderer seiner berühmt gewordenen Sätze, mit dem er die Meinungsverschiedenheiten der Eurogruppe zum Kurs gegenüber den Hellenen markierte. Schäuble schaffte es, zeitweise der unbeliebteste Deutsche in Griechenland zu sein, und steckte wüste Beschimpfungen und NaziKarikaturen in der dortigen Presse zumindest äußerlich ungerührt weg. Dabei wurde Schäuble nie müde, deutlich zu machen, dass er doch immer nur der Frontmann all jener Eurostaaten war, die hinter seinen Positionen standen und die sich gegen alle Versuche wehrten, aus dem Etat der Währungsunion Hilfen ohne Auflagen zu bezahlen. Gestern verabschiedete er sich, nicht ohne sein Erbe zu ordnen. In einem Papier des Bundesfinanzministeriums hinterließ er mehr als nur ein paar Ideen. Den Europäischen Stabilitäts-Mechanismus (ESM), bisher lediglich eine Art Notkasse für marode Staaten, wünscht er sich in einer stärkeren Rolle. Die Überwachung der nationalen Haushalte sei dort viel besser angesiedelt, schreibt Schäuble. Denn er könne eine strengere und neutralere Position bei der Überwachung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes ausfüllen. So bräuchten die Finanzminister nicht mehr die unangenehme Rolle übernehmen, einen der ihren wegen Überschreiten des Defizits zu belangen. Dahinter steckt die Idee, den ESM langfristig zu einem Europäischen Währungsfonds auszubauen, der Länder in Krisenzeiten zur Seite stehen könnte.
Den Vorschlag eines eigenen Euro-Zonen-Budgets lehnt Schäuble ab. Er denkt in eine andere Richtung. Die Beiträge künftiger EuroZonen-Mitglieder sollten mit Strukturreformen im Euroraum verknüpft werden. Die länderspezifischen Haushaltsempfehlungen der Kommission seien dafür eine gute Grundlage. Im Kern läuft das darauf hinaus, dass Schäuble nicht die Unfolgsamen mit geringen Zahlen bestrafen, sondern die solide Wirtschaftenden mit Rabatten belohnen will. Die Eurogruppe wird die Ideensammlung als Denkanstoß wahrnehmen, aber sie muss sich jetzt erst mal selbst neu ordnen. Die Amtszeit von Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem läuft im Januar aus. Bis dahin wird der Niederländer sein Amt behalten dürfen, auch wenn er der neuen Regierung in seiner Heimat künftig nicht mehr angehören wird.