Schlecker Prozess auf der Zielgeraden
Seit März steht der ehemalige Drogerie-König vor Gericht. Nun haben alle Zeugen ausgesagt. Wie es in der Verhandlung weitergeht und was auf den 72-Jährigen zukommt
Stuttgart Anton Schleckers Zeit auf der Anklagebank nähert sich dem Ende. Seit März läuft gegen den einstigen Drogerie-König ein Prozess vor dem Stuttgarter Landgericht. Die Anhörung der Zeugen ist nun durch, damit kommt das Ende des Verfahrens in Sicht. Ein Überblick über den Stand der Dinge.
Worum geht es?
Der Schlecker-Konzern war ein Drogerie-Riese in Europa, doch im vergangenen Jahrzehnt liefen die Geschäfte schlechter. Konkurrenten wie Rossmann punkteten mit gutem Design und besseren Preisen – Schlecker wurde zum „Schmuddelkind“der Branche, wie ein Zeuge sagte. Anfang 2012 kam es zum Kollaps, das Unternehmen ging in die Insolvenz und wurde abgewickelt. Als eingetragener Kaufmann haftete Schlecker mit seinem privaten Vermögen. In den Jahren vor der Pleite aber hatte er Geld aus der Firma gezogen und es an seine Familie übertragen. Nach Darstellung der Ankläger durfte er das nicht, die Verteidigung bestreitet Verfehlungen.
Was genau sind die Anklagepunkte? Die Liste der Vorwürfe gegen Anton Schlecker, 72, und seine Kinder Lars, 46, und Meike, 44, ist lang. Es geht um vorsätzlichen Bankrott, Beihilfe zum Bankrott und Untreue. Würde der Bankrott als besonders schwerer Fall gewertet, könnte Anton Schlecker eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren drohen, ansonsten wären bis zu fünf Jahre möglich.
Wie sieht es für Schlecker aus? Nicht schlecht, aber auch nicht gut. Einerseits wird eine harte Haftstrafe unwahrscheinlicher. Andererseits ist es so gut wie auszuschließen, dass Schlecker einen Freispruch bekommt – so lassen sich jüngste Andeutungen des Richters verstehen.
Was ist der entscheidende Punkt in dem Verfahren?
Der Zeitpunkt der drohenden Zahlungsunfähigkeit. Ab dann hätte Schlecker keinen Cent mehr aus dem Firmenvermögen ziehen dürfen. Die Staatsanwaltschaft setzte den kritischen Moment in ihrer Klageschrift auf Ende 2009 an und kam auf einen Betrag von mehr als 25 Millionen Euro, die Schlecker widerrechtlich in private Kanäle umgeleitet und dem Zugriff der Gläubiger entzogen habe. Verschiebt sich dieser Zeitpunkt nach hinten, sinkt die Schadensumme – ein Schuldspruch würde schwächer ausfallen.
Was ist im Verfahren geschehen? Zur Frage des Zeitpunktes haben sich Staatsanwaltschaft und Verteidigung in einem öffentlichen Gespräch ausgetauscht. Beide Seiten sind von ihren ursprünglichen Positionen etwas abgerückt: Die Ankläger gehen von einer drohenden Zahlungsunfähigkeit ab Ende 2010 aus, die Verteidiger wären mit einer Festlegung auf April 2011 zufrieden. Der Vorsitzende Richter Roderich Martis tendiert zum 28. Januar 2011 – an diesem Tag lagen Schlecker schlechte Zahlen für 2010 vor.
Was bedeutet das? Angenommen, der Richter bliebe beim 28. Januar 2011 als Beginn der absehbaren Zahlungsunfähigkeit. Dann würde der erste Anklagepunkt wegen vorsätzlichen Bankrotts fast wegfallen. Hierbei wirft die Staatsanwaltschaft Schlecker vor, von Anfang Januar 2010 bis Ende Februar 2011 zu hohe Rechnungen einer Logistikfirma bezahlt zu haben, die Meike und Lars gehörte. Dadurch sei ein Schaden von elf Millionen Euro entstanden. Der Zeitraum für diesen Schaden würde mit der Festlegung auf den 28. Januar 2011 von 14 Monaten auf einen Monat schrumpfen – und die Schadensumme auf unter eine Million Euro fallen. Ein anderer Anklagepunkt zum Zeitraum der Insolvenzanmeldung im Januar 2012 bliebe bestehen.
Wie geht es weiter?
Heute ist der nächste Verhandlungstermin – er dürfte wenig ereignisreich sein. Die Plädoyers und das Urteil könnten im November folgen. Könnten – denn es kann auch sein, dass sich der Prozess hinzieht. Zunächst muss die Beweisaufnahme geschlossen werden. Weil aber die Verteidigung ihren Unmut über ein Gutachten einer Mitarbeiterin des Landeskriminalamtes zur drohenden Zahlungsunfähigkeit geäußert hatte, könnte das dauern.