Lieber Raben als Helikopter
Jan-Uwe Rogge erklärt witzig, ironisch und bissig, wie das mit dem Elternsein richtig gut klappen könnte – und wie besser nicht
Günzburg Als Eltern haben Raben einen schlechten Ruf. Zu Unrecht. Denn die sprichwörtlichen „Rabeneltern“kümmern sich fürsorglich und relativ lange um ihren Nachwuchs. Und sie beherrschen eine Kunst, die vielen Müttern und Vätern abgeht – den Spagat zwischen loslassen und Halt geben. Auch wenn es manchmal schwerfällt: Erziehung habe sehr viel mit Lachen und Humor zu tun, versichert der Erziehungsberater Jan-Uwe Rogge bei seinem Vortrag „Warum Raben die besseren Eltern sind“in Günzburg. Er ist das beste Beispiel dieser These. Witzig, ironisch und bisweilen bissig spricht Rogge vor den rund 200 Besuchern im Panoramasaal der Volksbank – fast ausschließlich Frauen – Klartext. Die Zuhörer haben viel über das Gelingen und Scheitern von Erziehung gelernt und sich dabei noch köstlich amüsiert.
Der Vortrag in der Reihe Lesart von Buchhandlung Hutter, Volkshochschule und Volksbank-Raiffeisenbank biete eine Art „Erziehungskabarett“, hatte Vhs-Leiterin Petra Demmel bei ihrer Begrüßung angekündigt. Sie hatte nicht zu viel versprochen. Dabei ist Rogge alles andere als ein Witzbold. Er ist vielmehr einer der renommiertesten deutschen Erziehungsberater, gibt Seminare, hält Vorträge und hat mehr als 30 Bücher verfasst.
Raben können fliegen. Sogenannte Helikopter-Eltern, die ständig behütend und ihnen alles abnehmend über ihren Kindern kreisen, sind sie nicht. Raben lassen ihren Jungen Freiräume. Anders etwa als jene Mütter, die am Spielplatz ihre Kleinen überwachen. Die „beste Freundin“der Kinder wollen sie eigentlich sein, „in Wahrheit sind sie eine Ansammlung von bissigen Hyänen“sagt Rogge. „Ich hoffe, die Zeitung schreibt das“.
Erziehung habe nichts mit Ziehen zu tun. Auch nicht mit vorfertigten Zielen. „Bei Erziehung weiß man nie, was dabei herauskommt“. Vielmehr habe Erziehung „mit in Beziehung treten und der Begleitung ins Leben“zu tun. Loslassen und Halt geben gleichermaßen. Scheitern inbegriffen. „Denn kein Kind funktioniert immer so, wie Sie sich das vorstellen“. Grenzen zu setzen und über Fehlverhalten zu reden, das sei das eine. Dabei mit „Bitte, bitte“um Gehör zu winseln oder mit Versatzstücken wie „Ich will doch nur dein Bestes“oder „Ich sag’s dir im Guten“zu kommen, sei fehlgeleitet. Rogge: „Kinder sind auf jeden pädagogischen Schwachsinn vorbereitet“.
Besser sei es, auch mal „starke Gefühle zu zeigen und notfalls auszuflippen“. Kindern sei Klarheit sehr wohl zu vermitteln, aber nur dann, „wenn sie sich im Verhältnis zu den Eltern sicher“seien. „Stehen Sie zu Ihrem Kind, auch wenn es nicht immer das tut, was Sie wollen“. Auch dann, wenn das Kind nicht den angeblichen Normen einer „ständig diagnostizierenden und vergleichenden“Umgebung entspricht. Habe eine gute Freundin Erziehungstipps parat – „trennen Sie sich von ihr. Vertrauen Sie auf Ihren Bauch und Ihre Gefühle, seien Sie authentisch“. Eltern haben Stärken und Schwächen, Ecken und Kanten, die Kinder halt auch. „Lassen Sie sie so, wie sie sind. Nicht so, wie Sie sie gerne hätten“. Manche im Saal fühlten sich dabei wohl an den Satz ihrer Eltern erinnert: „Ich wünsche Dir mal ein Kind, wie Du es bist“.
Viel zu wenig beachtet werde, dass Kinder von Kindern lernen – im Hort, im Kindergarten und in der Schule. „Und sie lernen dort Freunde kennen, die sie mit ihren Eltern nie kennenlernen würden“. Dabei kommt es auch zwangsläufig zum wichtigen Regelverstoß. Etwa, wenn das Dinkelbrötchen gegen die Milchschnitte getauscht wird. Die Kleinen werden es überleben.
Rogge zitierte mehrmals den Schweizer Pädagogen Johann Heinrich Pestalozzi. Der gab Eltern schon an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert den guten Rat, mindestens dreimal am Tag zu lachen. Einmal über sich selbst, einmal über das Kind und einmal gemeinsam. Denn, auch das sagte Pestalozzi: „Die schlimmste Strafe für Kinder sind Eltern, die nicht lachen“.