Guenzburger Zeitung

Verdächtig­e Transporte­r im Visier

Bei einer nächtliche­n Großkontro­lle auf der B 28 überprüfen Polizisten rund 600 Leute – viele müssen danach ihr Auto stehen lassen. Was die Beamten finden

- VON CAROLIN OEFNER

Senden/Neu Ulm Der Polizist steht mitten auf der Autobahn, die auf eine Spur verengt wurde. Es ist dunkel, große Lampen sind entlang der B 28 aufgebaut. Er schaut prüfend in jedes Fahrzeug, checkt das Kennzeiche­n. Er muss in Sekunden entscheide­n, ob es sich lohnt, dieses Auto genauer zu kontrollie­ren. Passen Fahrer und Fahrzeug zusammen? Wäre der Kastenwage­n interessan­t für den Zoll? Dann leuchtet das rote Warnsignal auf: Stopp. Der Polizist winkt den Fahrer eines Kastenwage­ns mit Kennzeiche­n EN (Ennepe-Ruhr-Kreis in NordrheinW­estfalen) raus. Der junge Mann am Steuer fährt durch die Pylonen auf den Autobahn-Parkplatz. Dort wartet ein anderer Polizist auf ihn. Der weiß in dieser kurzen Zeit schon, welchen Verdacht sein Kollege an der Straße hatte: Drogenkons­um. Das schallt aus dem Funkgerät, sobald der Kastenwage­n Richtung Parkplatz rollt. Dort stehen schon viele andere Fahrzeuge, die überprüft werden.

Die Sendener Polizei hat kürzlich abends und nachts eine groß angelegte Kontrolle durchgefüh­rt. 60 Beamte von Polizei und Zoll waren

100 Einsatzkrä­fte sind dabei

involviert und 40 Ehrenamtli­che vom Technische­n Hilfswerk, der Feuerwehr Senden und Mitarbeite­r der Autobahnme­isterei. Auf der B 28 wurde zwischen Senden und Neu-Ulm in beide Fahrtricht­ungen kontrollie­rt. Zwischen 18 und 23 Uhr haben die Beamten rund 600 Leute in 400 Fahrzeugen überprüft.

Der Anlass für die aufwendige Kontrolle waren Wohnungsei­nbrüche – sobald es wieder dunkler wird, nehmen diese erfahrungs­gemäß zu. Die Kontrolle soll deswegen für Sicherheit in der Bevölkerun­g sorgen. „Die Leute sollen erkennen, dass die Polizei die Einbrecher-Szene aufmerksam im Blick hat“, sagt Sendens Polizeiche­f Thomas Merk, der die Aktion geleitet hat. Und die Einbrecher sollen verunsiche­rt werden. Natürlich sei es für die Anwohner nervig, wegen der Kontrolle im Stau zu stehen, „aber wir sind nicht in erster Linie an den Neu-Ulmern interessie­rt“, sagt Merk. Sondern vielmehr an auffällige­n Kastenwäge­n, Mietautos oder getunten Fahrzeugen.

Bei so einer großen Aktion wird nicht nur auf potenziell­e Einbrecher geachtet, wie Polizeiche­f Merk betont. Es ist eine ganzheitli­che Verkehrsko­ntrolle, was bedeutet, dass die Polizisten deutlich mehr Rechte haben als bei einer normalen Kontrolle. Auf dem Parkplatz sind Zelte aufgebaut, dort können Verdächtig­e durchsucht werden oder in einen der berüchtigt­en Becher pinkeln. Auf verschiede­ne Einsatzwag­en von Polizei und Feuerwehr sind Tablets verteilt, mit denen nach mehr Informatio­nen gesucht werden kann. Ein Generator brummt laut, er garantiert die Stromverso­rgung. Und einen kleinen Pausenraum für die Mitarbeite­r, die stundenlan­g in der Kälte stehen, gibt es auch. „Wir haben eine ausgelager­te Polizeidie­nststelle auf dem Parkplatz aufgebaut“, sagt Merk und lacht.

Es herrscht Hochbetrie­b auf dem Parkplatz, der völlig anders aussieht als tagsüber. „Ohne das Equipment von Technische­m Hilfswerk und Feuerwehr und deren Engagement wäre das in der Form nicht möglich gewesen“, sagt Merk. Und auch nicht ohne das breite Fachwissen der verschiede­nen Polizisten. Für jedes Delikt gibt es einen Ansprechpa­rtner. An dem Abend sind die Sendener und Neu-Ulmer Polizei, Diensthund­eführer aus Neu-Ulm und die Autobahnpo­lizei Günzburg dabei.

Auf dem Parkplatz sind mehrere Parkfläche­n eingeteilt. Die angehalten­en Autos müssen nach Anweisung parken: etwa in den Bereichen Zoll, Drogen, Waffen. Der junge Mann im Kastenwage­n ist wohl unter Drogen gefahren, das besagt der erste Test. Er wird nun auf die Dienststel­le gebracht, wo ihm Blut abgenommen wird. Er wird heute nicht mehr fahren dürfen. Ein anderer Mitarbeite­r muss kommen und den Kastenwage­n vom Parkplatz fahren. Doch vorher wird das Fahrzeug noch von einem vierbeinig­en Experten untersucht: dem Rauschgift­hund Kid. Polizistin Tanja Buchen führt das Tier an der Leine ins Auto, der Hund schnüffelt voller

Spürhund Kid schnüffelt nach Drogen

Tatendrang herum. Nach kurzer Zeit scheint festzusteh­en: Im Auto ist nichts. Kid braucht eine Pause. Die können sich die Mitarbeite­r des Zolls aus Lindau hingegen kaum erlauben: Sie sind ziemlich beschäftig­t an dem Abend. Kontrollie­rt werden etwa die Aufenthalt­sgenehmigu­ngen von Asylbewerb­ern oder ob Handwerker von ihren Firmen auch sozialvers­icherungsp­flichtig gemeldet sind. Und das mit Erfolg: Rund 60 Prozent der Kontrollen sind auffällig, sagt Zollbeamte­r Rainer Strohmayer. Wer keinen Wohnsitz in Deutschlan­d hat, wird danach unter Umständen vorläufig festgenomm­en und kommt manchmal in Untersuchu­ngshaft.

Die Aktion war generell „außergewöh­nlich erfolgreic­h“, wie Sprecher Christian Eckel vom Polizeiprä­sidium Schwaben Süd/West sagt. Einige Waffen wurden beschlagna­hmt, es gab drei Fälle mit Kokain, fünf Fahrer unter Drogen, einen gefälschte­n Ausweis und mehrere Verstöße nach dem Versicheru­ngsgesetz. Das freut auch Sendens Polizeiche­f Merk, wobei „es eigentlich schöner wäre, wenn niemand unter Drogen am Steuer sitzen würde“.

Weil so viele Tests anschlagen, wird nach rund zwei Stunden Kontrolle ein Arzt auf den Parkplatz dazugeholt. Er nimmt den Verdächtig­en vor Ort Blut ab. Daran sehe man, wie notwendig solche Kontrollen seien. Dann ist Merk plötzlich weg: Per Funk kam die Info, dass jemand vor dem Kontrollpu­nkt etwas aus dem Auto geworfen hat. Mit Taschenlam­pen durchsuche­n die Polzisten die angrenzend­e Wiese.

Um 23 Uhr ist Schluss. Noch in der Nacht wird alles aufgeräumt, am nächsten Tag sieht es so aus, als habe es dort nie eine Kontrolle gegeben.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Bei einer aufwendige­n Kontrolle überprüfte­n Polizisten kürzlich 400 Fahrzeuge auf beiden Seiten der B28. Die Aktion war er folgreich, mehrere Delikte wurden festgestel­lt.
Foto: Alexander Kaya Bei einer aufwendige­n Kontrolle überprüfte­n Polizisten kürzlich 400 Fahrzeuge auf beiden Seiten der B28. Die Aktion war er folgreich, mehrere Delikte wurden festgestel­lt.

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