Hybrid-Hemd
Deutschland schätzt das Hybride, in dem alles schön gebündelt, vermengt & vermischt ist und alle Gegensätze aufgehoben scheinen. Die GroKo ist so ein breit angelegter Politik-Hybrid, ein wenig auch die Doppelspitze der Grünen. Und Aldi, der jetzt neben Kreuzfahrten und Fernsehern auch Geschirrspüler verkauft, ist ein Handels-Hybrid, zu dem man gerne in einem Wagen mit Hybrid-Antrieb vorfährt. Hybrid kann man sogar essen, bei McDonald’s zum Beispiel.
Angesichts dieser hybriden Durchdringung Deutschlands ist das Hybrid-Hemd zwar schwerlich als Hybris zu bezeichnen. Aber eine besondere Blüte im bunten Strauß der Mix- und Kombiformen ist es zweifellos. Wir haben es mit einer Art Ikea-Du zum Anziehen zu tun. Das Hybrid-Hemd macht Schluss mit der Vielfalt, die den Kleiderschrank aufbläht. CityHemden, Business-Hemden, Freizeit-Hemden, Wander-Hemden, Casual-Hemden: Du kannst ja verrückt werden. Weil aber die feinen Unterscheidungen aufgeweicht und alte distinguierte Grenzziehungen geschleift sind, ist das HybridHemd keine Dobrindt’sche Revolution, sondern nur eine logische Reaktion auf die gesellschaftliche Realität der Mitte. Die heißt kleidungsetikettenmäßig schlicht: Alles ist Jacke wie Hose.
Wenn niemand mehr Krawatte trägt, außer Gauland seine Hundeschlipse, kann man doch gleich im Freizeitlook in die Firma – gerne mit Hybrid-Sneakers statt mit handgenähten Budapestern. Und Unisex-Mütze im Winter.
Das Hybrid-Hemd, das nach Ansicht der Fachzeitschrift Textilwirtschaft Zuordnungen des Trägers nicht mehr eindeutig erlaubt, hat das Zeug zur smarten Uniform unserer Tage. Wer Beliebigkeit trägt, kann mit allem kombinieren und überall andocken, womit wir wieder bei der GroKo wären. Ein regular fit Hybrid-Shirt passt zu der Art, wie wir heute leben: Der Übergang von Arbeit in Feierabend ist fließend – und umgekehrt. Ob das Hybrid-Hemd an den Erfolg der Hybrid-Hose anknüpfen wird? Welche das ist? Einfach mal an sich runterschauen. Jeans, was sonst.