Die Frage der Woche Stillen in der Kirche?
PRO MICHAEL SCHREINER
Wir können es kurz machen. Der Papst selbst hat das Stillen in der Kirche nicht nur abgesegnet. Er ermunterte jetzt in der Sixtinischen Kapelle auch ausdrücklich dazu. O-Ton Franziskus: „Geht voran und stillt ohne Angst.“Noch Fragen? Also. Stillen in der Kirche? Ja. Si. Oui. Yes. Klare Ansage vom Chef, der ja weltweit das Hausrecht ausübt in den Kirchen, den katholischen mindestens. Gehet hin und stillet!
Aus, Ende, Amen? So einfach wollen wir uns hier nicht davonmachen, erstens. Und zweitens fehlen noch 31 Zeilen. Im Windschatten des Papstes lässt sich gut argumentieren. Kirchen sind intime, geschützte Räume – insofern sind sie geradezu natürlich geeignet für das Stillen. In der christlichen Ikonografie ist das Stillen (Maria!) eine zentrale Botschaft. Es wäre also schon sehr merkwürdig, wenn ausgerechnet in Kirchen unerwünscht wäre, was zum Kern der Glaubensvorstellung gehört. Es gibt, außerhalb von Kirchen, in schöner Regelmäßigkeit Probleme mit dem Stillen in der Öffentlichkeit – Aufregung in Cafés, Restaurants, in öffentlichen Verkehrsmitteln. Wahrscheinlich erregt das sichtbare Stillen deshalb Anstoß, weil es so „exotisch“ist – anders als das Herumgeschreie an Telefonen, das allgegenwärtige Selfie-Gedöns zum Stillen narzisstischer Gelüste oder das allgegenwärtige ungenierte Kauen und Kaffeeschlürfen.
Man hat nicht den Eindruck, dass Mütter sich danach drängen, öffentlich oder halb öffentlich zu stillen. Es muss halt manchmal sein – und da ist es nicht nur erste Christenpflicht, sondern selbstverständliche Bürgertugend, das diskret zu dulden bzw. sich um eine entspannte, am besten einladende Atmosphäre zu bemühen. Wer’s nicht aushält, kann sich ja im Beichtstuhl verkrümeln. Stillende Mütter jedenfalls gehören da nicht hin.
CONTRA ALOIS KNOLLER
Es ist ein Bild des Friedens und der Harmonie, das eine stillende Mutter mit ihrem Säugling abgibt. Inniger kann die Beziehung zwischen ihnen nicht sein – und auch nicht natürlicher. Man sagt, dass gestillte Kinder mit mehr Selbstvertrauen aufwachsen. Und eine Mutter, die ihrem Kind, wann immer es hungrig ist, die Brust reicht, beweist ebenfalls ein starkes Selbstbewusstsein.
Sogar zum Andachtsbild hat es die traute Szenerie gebracht. Die stillende Gottesmutter Maria bewies dem frommen Betrachter im Mittelalter schlagend, wie vollkommen Gottes Sohn wahrer Mensch geworden ist, bedürftig der Milch seiner Mutter und ihrer Zuwendung („wickelte ihn in Windeln“). Und wie sehr die Nährmutter des Erlösers herausgehoben ist unter allen Frauen („gesegnet sei die Brust, die dich nährte“).
Wollte man aus dem Bildnis der milchspendenden Maria allerdings eine Rechtfertigung für stillende Mütter in der Kirche unserer Tage ableiten, befände man sich gründlich auf dem Holzweg. Es bleibt eine Frage der Schicklichkeit. Bitte denken Sie jetzt nicht, ich sei prüde und hielte den Anblick einer entblößten mütterlichen Brust für so aufreizend, dass sündhafte Gedanken im Herzen eines Mannes aufsteigen könnten. Doch eine Kirche ist ein sakraler Raum, dem Heiligen geweiht und damit generell den alltäglichen Verrichtungen entzogen. Ein Eis zu schlecken oder eine Cola zu zischen, sind hier ein No-Go.
Sicherlich fänden Mutter und Kind in der Stille einer Kirche inmitten des Lärms einer trubeligen Stadt zur erwünschten Ruhe (wenn nicht gerade eine Gruppenführung durchgeschleust wird – aber das ist ein anderes Problem). Vielleicht ist es auch nicht so kalt wie im Stall zu Bethlehem. Trotzdem: Zum Stillen besser in die Sakristei zu gehen.