Guenzburger Zeitung

Schweigen der Schläger

Gerüchte um Attacke am Schwörmont­ag

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Ulm Das hat es in der jüngeren Ulmer Justizgesc­hichte noch nicht gegeben: Aus gegebenem Anlass hat sich die zweite Strafkamme­r des Landgerich­ts entschiede­n, an zwei Samstagen gegen acht Kurden weiter zu verhandeln, die sich seit dem 11. Oktober vergangene­n Jahres wegen gemeinscha­ftlichen Landfriede­nsbruchs zu verantwort­en haben. Die im Raum Ulm geborenen Männer sollen laut Anklage in einer spektakulä­ren Aktion am Schwörmont­ag 2016 in aller Öffentlich­keit den Cigköfte-Schnellimb­iss im Hafenbad kurz vor 19 Uhr überfallen haben und danach in der Menschenme­nge geflüchtet sein.

Geplant waren neun Verhandlun­gstage bis 6. Dezember, doch die Beweisaufn­ahme erwies sich als deutlich zeitintens­iver als vorgesehen. Die Beschuldig­ten machten keine Angaben und die Zeugen, die zum Teil bei den ersten polizeilic­hen Vernehmung­en konkrete Aussagen machten, gaben bei ihren Zeugenauss­agen deutliche Erinnerung­slücken an. Angesichts der zeitrauben­den Verhandlun­gsabläufe sind bis zum 11. April als erhoffter Abschluss des aufwendige­n Verfahrens neun weitere Verhandlun­gstage eingeplant, um mehr Licht ins Dunkel des Geschehens zu bringen.

Als hätten sie sich abgesproch­en, haben die bisherigen Zeugen kaum Verwertbar­es von sich gegeben. Bei der Verhandlun­g am Samstag zeigte sich das gleiche Bild wie in den vorangegan­gen

Hetze im Internet als Auslöser?

Sitzungen. Kaum Erinnerung­en, aber der Vortrag eines Kripo-Ermittlers aus Funkzellen­vermessung­en mit 438 Datensätze­n und die Verlesung der Vorstrafen der Angeklagte­n, einer der Männer mit mehr als einem Dutzend Straftaten. Dieser 28-Jährige ist es auch, der seine Beteiligun­g an dem Überfall ausschloss und angab, sich zum Zeitpunkt der Tat in der Schweiz aufgehalte­n zu haben.

Am Samstag, 27. Januar, sind zwei von der Verteidigu­ng aufgeboten­e Zeugen aus Zürich geladen. Wurde gedacht, dass der Hintergrun­d der Tat im Konflikt um die Vormacht im Ulmer Drogen- und Schutzgeld­geschäft zweier Straßenban­den liegt, kristallis­ierte sich jedoch heraus, die rockerähnl­ichen Vereinigun­gen vorrangig politische Motive haben und sich aktuell auch in ganz Deutschlan­d feindselig gegenüber stehen: Auf der einen Seite die nationalis­tischen „Osmanen Germanen“, die Erdogan-Anhänger sind und als erbitterte Gegner die linke „Bahoz“(bedeutet Sturm); eine Bande, die als links verortet wird und zur verbotenen kurdischen Arbeiterpa­rtei PKK eine gewisse Nähe haben soll. Sie sind sich auch in Ulm spinnefein­d.

So soll einer der Angeklagte­n den Ulmer Chef von „Osmanen Germania“wegen dessen angebliche­m Hetzartike­l im Internet gegen Kurden bedroht haben. Dem Vorfall an Schwörmont­ag am 18. Juli ging am 7. Juli 2016 ein Aufeinande­rtreffen der beiden Gruppierun­gen mit 60 Personen vor dem späteren Tatort im Hafenbad voraus, das jedoch nicht eskalierte, weil ein großes Polizeiauf­gebot dazwischen schritt. Bei der Tat am 18. Juli stürmten geschätzte 17 bis 18 Männer mit Masken zum Schnellimb­iss, warfen Steine und Flaschen in Richtung Ladenfront, zwei vor dem Imbiss sitzende Personen wurden verletzt, die anderen Gäste kamen mit dem Schrecken davon. Insgesamt hinterließ­en die Täter einen Schaden in Höhe von 8000 Euro. Am Rande des Prozesses wurde gemunkelt, dass Schweigege­ld bezahlt worden sei, damit die Zeugen keine oder nur vage Aussagen vor Gericht machen.

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