Lauter späte Gelegenheiten
Neue Gedichte von Michael Krüger
Michael Krügers neuer Gedichtband „Einmal einfach“hebt mit einem Goethe-Motto an: „Alle meine Gedichte sind Gelegenheitsgedichte, sie sind durch die Wirklichkeit angeregt…“Nun ist die „Wirklichkeit“eines Mannes von 74 Jahren natürlich eine andere als die eines halb so alten Zeitgenossen und entsprechend herbstlich gestimmt die Themen der neuen Sammlung. Über „zwei Spiegelscherben“heißt es in einem der gut hundert Gedichte: „die eine zeigt den, der ich nicht mehr bin / die andre den, der ich nicht mehr werden kann.“Von solchem Selbstgefühl ist vielfach die Rede in Krügers Lyrik, die gerne den Blick in den inneren Spiegel wirft. Und doch versagt der Dichter sich jegliche Larmoyanz, zieht dem elegischen Ton eine sanfte, schon aus dem bisherigen Werk bekannte Nüchternheit vor.
Was aber zählt so spät im Jahr noch? Für den Ex-Hanser-Chef ist es vor allem die Natur, ob zu Hause oder auf Reisen. Und so gibt auch diesmal das von Krüger so geschätzte vegetative Arsenal Goethe’sche „Gelegenheit“zu lyrischer Produktion, sei’s ein Baum, ein See, seien’s Vögel, Wolken… Dagegen haben allzu schattige Lebensabschnittsgedanken keine Chance, denn: „Sieh, wie der Weißdorn sich aufdrängt!“Das alles hat Krüger mit leichtem Pinsel und ohne jede (End-)Reimkunst hingetupft und dabei doch fein abgemischt im Klanglichen. Auch das letzte von vier Kapiteln, gewidmet den Beziehungslinien zwischen einer „ihr“und einem „ihm“, ist stimmig geraten.