Guenzburger Zeitung

Haariger Aderlass

Warum in den Frisierstu­ben abgerüstet wird

- VON JOACHIM BOMHARD

Augsburg Frühjahr 1972, Zeit der Ost-West-Entspannun­g – die Bundeswehr rüstet auf, schafft 740 000 Haarnetze an. Eine sehr politische Entscheidu­ng des damaligen Verteidigu­ngsministe­rs Helmut Schmidt (SPD). Lange Haare sind damals nicht nur eine modische Erscheinun­g, sondern auch Ausdruck des Protestes gegen Staat und Gesellscha­ft.

Die Bundeswehr hat ein haariges Problem. Ein Erlass aus dem Jahr

1967 legt ausdrückli­ch fest, dass Soldaten das „Tragen einer schulterla­ngen oder sonst feminin wirkenden Haartracht“verboten sei. Ein Graus für Wehrdienst­leistende. In der Kaserne müssen sie zuerst zum Truppen-Friseur. Helmut Schmidt will ihnen mit dem Haarnetz-Erlass entgegenko­mmen. Die Haare dürfen wachsen, müssen aber gebändigt werden. Auch nicht sexy. Nur ein Jahr später werden die Netze eingemotte­t. Die Haargrenze endet seitdem am Uniformkra­gen.

Das Langhaarig­enProblem ist Geschichte. Aber auch den Haarebändi­ger in der Truppe soll es bald nicht mehr geben. Die 67 noch bestehende­n Frisierstu­ben in den Kasernen seien zu teuer, sagt der Bundesrech­nungshof. Mit 500000 Euro werden sie jährlich bezuschuss­t. Aber ohne militärisc­hen Zweck, weil kein Soldat plötzlich zum Friseur muss, wodurch sein Dienst dadurch beeinträch­tigt sein könnte. O-Ton Rechnungsh­of: „Die Haarpflege ist kein überrasche­ndes Ereignis, sondern kann von den Soldatinne­n und Soldaten für die dienstfrei­e Zeit geplant werden.“

Statt der Haare gibt es andere Probleme bei der Bundeswehr, zum Beispiel mit der zunehmende­n Verbreitun­g rechtsextr­emistische­n Gedankengu­ts, nachzulese­n auf Politik.

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Foto: akg 1972: Haare verschwand­en unter einem Netz.

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